Liebe Leserinnen und Leser!
Heute geht es weiter mit dem 2. Teil des Interviews mit dem Weißen Kreuz. Vorab möchte ich mich an dieser Stelle gleich entschuldigen, dass die Qualität und einige Hintergrundgeräusche der Baustelle, die derzeit leider bei unserer Beratungsstelle ist, zu hören ist. Ich hoffe dennoch, dass ihr das Interview genießen könnt. Ein weiterer Schnitt, den wir beobachtet haben, einen Konfliktpunkt in einer Beziehung, in einer Ehe, in einer Partnerschaft, ist ja, wenn das Kind auf der Welt ist. Die ersten paar Jahre, wenn das Kind der absolute Mittelpunkt ist, dann ist ja oft die Tendenz von vielen Männern, Gott sei Dank nicht von allen, aber es gibt halt gewisse Tendenzen in Männern, die dann auf einmal merken, hah ich bin ja nicht mehr die Nummer eins, oder ich muss zurückstecken. Und auch noch nicht kapiert haben, dass ja eine starke Veränderung während der Schwangerschaft, allein schon durch die Hormone bei der Frau passiert und die Frau sich auch einfach verändert durch die Mutterschaft. Und Veränderungen, die in einer Beziehung hier ständig vorkommen sind ja aber auch oft ein Konfliktpotential in einer Beziehung und überhaupt starke Veränderungen. Gibt’s da vielleicht irgendwelche Erfahrungen oder Berichte wo ihr sagt, das ist eigentlich eine nützliche Hilfe vielleicht mal in diese Richtung zu denken oder zu schauen wie man das auf die Reihe kriegt gemeinsam.
Weißes Kreuz: Aus meiner eigenen Erfahrung, ja, ich glaub das Wichtigste ist, dass man es zulässt. Also diese Irritationen die jetzt entstehen, die muss ja unsere Seele verarbeiten können. Das heißt ich muss ein Ja dazu haben, wir beide, als Mann und Frau stehen jetzt in einer Situation, die uns irritiert. Wir wissen es noch nicht genau, wie wir´s lösen. Und mit den ganzen Gefühlen, es wechselt ja zwischen Verantwortung wahrnehmen, zwischen Schuldgefühle, zwischen werden wir es schaffen usw., so pendelt das ja ständig hin und her. Und da denke ich, dass es wichtig ist, dass dieser Prozess durchgegangen werden kann. Von beiden Seiten. Dann habe ich oft den Eindruck, dass die Gefahr besteht, dass das Kind die Beziehung zu bestimmen beginnt. Wie du gesagt hast, der Partner ist nicht mehr Nummer eins sondern Nummer zwei oder wenn es mehrere Kinder sind, drei, vier, fünf, dann wird es kritisch. Und zu differenzieren zwischen quasi der Paarbeziehung und der Eltern-Kind Beziehung. Diese beiden Beziehungen dürfen nicht in Konkurrenz zueinander sein, das sind verschiedene Ebenen, und beide müssen gepflegt werden. Meine Beobachtung ist, dass viele Paare, auch wenn die Männer mithelfen und alles, was ja sehr positiv ist, aber viele Paare verlieren die Paarbeziehung zugunsten der Eltern-Kind Beziehung. Und dann entstehen Defizite. Wenn sich die wohlmöglich auch noch mit Mama und Papa anreden, usw., dann ist die Erotik auch im Keller. Ich geh nicht mit der Mama ins Bett. Also dann wird’s ganz kritisch. Dann verflacht sich das Ganze. Oder wenn dann die Kinder älter werden, mit wem rede ich dann noch? Ich habe ja verlernt mit dem Partner zu reden. Dann wird’s schwierig ja.
Barbara: Gibt’s eine Möglichkeit da wieder zurückzukommen? Manchmal überrollt einen das Leben ja so, dass man das gar nicht so richtig mitkriegt und dann steht man plötzlich an dem Punkt wo man merkt, ups, hoppala, da haben wir uns verloren. Und dann ist die Frage, wie wichtig ist mir eigentlich diese Beziehung, dass ich sage, dass was wir uns aufgebaut haben ist mir so wichtig, dass ich schauen möchte, dass wir wieder zurückkommen. Und ich habe oft den Eindruck, dass viele glauben, dass wenn man diesen Punkt erreicht hat, ach wir haben uns jetzt auseinanderentwickelt, oder wir haben uns jetzt verloren, dass wir uns jetzt trennen müssen. Die Frage ist, man müsste ja ohnehin einen Beziehungsaufwand mit dem neuen Partner betreiben, wo ich mir die Frage oft manchmal stelle, ob es nicht klüger wäre diesen Beziehungsaufwand schon mit dem vorhandenen Partner zu machen. Und sozusagen wir machen jetzt einen Point Zero und fangen jetzt wieder neu an und gehen davon aus, als hätten wir uns erst kennengelernt. Was natürlich schwierig ist, weil natürlich ein großer Erfahrungsschatz von früher da ist.
Weißes Kreuz: Und oftmals der Erfahrungsschatz belastend ist. Familientherapeuten haben Untersuchungen gemacht und haben festgestellt, dass die Energie die es benötigt um eine Trennung oder Scheidung zu verarbeiten und eine neue Beziehung also beides zu verarbeiten mehrfach höher ist, als wie die Energie die man investieren müsste, um Beziehungsfähigkeit in der bestehenden Beziehung wieder zu erlangen. Also ich brauche viel weniger Energie um in der bestehenden Beziehung weiterzumachen. Wenn früh genug begonnen wird. Wir reden von inneren Schwüren, wenn Menschen innerlich einen Schwur gemacht haben mit mir nicht mehr, dann ist’s vorbei, dann geht’s nicht mehr. Dann wehrt sich die ganze Seele dagegen. Wenn der Schwur nicht stattgefunden hat, und beide bereit sind zu arbeiten, gibt’s keine Situation die nicht korrigierbar wäre. Ich habe oft schwierige Situationen erlebt, zum Beispiel einmal wo die Frau bei der Berührung des Mannes Schüttelfrost bekommen hat, das war psychosomatisch ganz stark da, aber beide waren bereit daran zu arbeiten. Ein halbes Jahr später saßen wir am gleichen Platz und sie haben sich geküsst und umarmt. Aber aus meiner Sicht ist die Voraussetzung immer, was ist in meiner Seele geschehen.
Barbara: Eigentlich eine sehr kurze Zeit für sowas.
Weißes Kreuz: Wenn die Türe einen Spalt offen ist, dann geht es leicht sie weiter zu öffnen. Wenn die Türe verschlossen ist, dann kriegen wir sie nicht mehr auf. Und Beratung ist an und für sich etwas, was, wenn mitgearbeitet wird sehr schnell greift. Also aus unserer Sicht. Wir brauchen keine jahrelange Begleitung.
Barbara: ich glaub das ist auch wichtig zu wissen. Ihr macht ja im März auch eine Fachtagung zur Trennung und Scheidung. Worum geht’s bei dieser Fachtagung?
Weißes Kreuz: Die Fachtagung ist an 2 Tagen, sozusagen. An einem Freitagabend und den ganzen Samstag. In Wien findet das statt. An dem Freitagabend geht es mehr um die rechtliche Situation, also juristisch, was ist da zu bedenken, bei einer Trennung oder Scheidung, was kommt auf mich zu, wo kann ich Hilfe bekommen? Das ist eine Veranstaltung, die ganz offen ist für jeden Interessierten der kommt. Am Samstag sicherlich auch, da geht es verstärkt nochmal um die Leute, die in diesem Kontext arbeiten. Zum Beispiel Therapeuten, Berater, die mit Paaren arbeiten, wo es um beraterische Unterstützung zu den oben genannten Themen geht. Aber auch der ganze Prozess von Vergebung wird angesprochen, ist das überhaupt möglich nach einer Scheidung, den Partner zu vergeben, also da wird drauf eingegangen, also auch was gibt es für Möglichkeiten. Und da wollen wir gerne unterstützen. Dass andere Leute andere unterstützen, die in diesem Prozess drinnen sind. In vier Workshops geht’s auch darum, dass die Beziehung zwischen Kleinkindern, Trennung und Scheidung, und zwischen Jugendlichen, was sind die Folgen, was sind die Erlebnisse, wie kann das verarbeitet werden. Im Gemeindekontext, also im Kirchenkontext, in welchem Spannungsfeld steht man da drinnen. Auch der Bereich Wiederheirat, und die Fragen die da auftauchen, werden im Rahmen von Workshops miteinander bearbeitet.
Barbara: Was mich persönlich jetzt interessieren würde, weil ich das im Bekanntenkreis meiner Eltern festgestellt habe. Eine spannende Sache. Die kennen mindestens drei Paare, die als junges Paar geheiratet haben, sich dann haben scheiden lassen und nach ein paar Jahren wieder geheiratet haben, und jetzt sozusagen glücklich zu sein, also die sich selbst nochmal geheiratet haben.
Weißes Kreuz: Den gleichen Partner?
Barbara: Den gleichen Partner, ja, was ich sehr spannend finde, weil das ja bedeutet, dass sie vielleicht ja doch den richtigen Partner gewählt hatten, nur einfach nicht geschafft haben die Probleme ohne Scheidung zu bewältigen. Habt ihr da auch Erfahrungen oder Beobachtungen gemacht? Gibt’s auch dazu Studien, wie oft das eigentlich vorkommt?
Weißes Kreuz: Ich überlege gerade, wie die Trennung da verlaufen ist. War das eine Trennung, die einvernehmlich war, im Sinn von „wir schaffen es nicht mehr miteinander, wir trennen uns“ oder waren das Trennungen, in denen Streit da war oder Verletzungen da waren usw.?
Barbara: Ein, zwei konkrete Trennungen waren aufgrund von Ehebruch. Oder auch die Eltern von einer Freundin, da hatte der Vater eine Affäre, dann haben sie sich getrennt und haben aber nicht beschlossen sich scheiden zu lassen, weil sie gemeint haben, sie haben es damals ernst gemeint. Sondern haben sich damals getrennt und waren vier Jahre getrennt, und nach vier Jahren wollte er eigentlich die andere heiraten. Darauf wollten sie sich doch scheiden lassen. Haben sich aber trotzdem gut verstanden. Weil sie auch Kinder miteinander hatten. Die Scheidungsrichterin, oder Scheidungsanwältin hat dann irgendwann zu ihnen gemeint, also ganz ernsthaft, ich spreche jetzt zwar gegen meinen eigenen Beruf hier, aber in Wirklichkeit, sie verstehen sich so gut miteinander, wollen sie es nicht doch noch einmal miteinander probieren? Dann haben sie ein bisschen darüber geredet und haben dann beschlossen, ok, sie probieren es noch einmal miteinander. Die Mutter hat gemeint, das erste Jahr war seltsam, aber dann gings. Die Freundin von mir, also die Tochter der beiden hat gemeint, für sie war das als Kind natürlich sehr seltsam, dass auf einmal der Vater wieder zurückgezogen ist nachdem sie das mit der Trennung überlebt haben. Bei dem anderen Fall war das auch so. Sie hatten zwei Kinder, er ist immer fremdgegangen, dann hats ihr irgendwann mal gereicht, und sie hat sich scheiden lassen. Nach zwei Jahren, beide hatten wieder neue Partner, haben sie irgendwie wieder beschlossen zusammenzukommen, weil sie dann gemeint haben, es ist eigentlich mit niemanden so wie mit dem anderen, und dann haben sie noch einmal geheiratet. Seitdem ist er treu, sie haben auch noch zwei Kinder bekommen, also er hat wohl seine Lektion gelernt. Bei denen weiß ich es, bei den anderen weiß ich es nicht.
Weißes Kreuz: Gab es zwischendurch spirituelle Erfahrungen? Nein? Ok, also ich würde das als Ausnahmesituation sehen, sehr oft geschieht das nicht. Also, dass nach Ehebruch, die Paare nach einer bestimmten Zeit wieder zusammenkommen, das kann sehr wohl sein, wenn es verarbeitet wird. Ich bin der Meinung, dass Ehebruch nicht das Ende einer Ehe bedeutet. Dass es Vergebung geben kann, dass es einen Neuaufbau geben kann. Es braucht aber Verarbeitung. Man kann nicht dort weitermachen wo man gestanden ist. Das geht nicht. Was du da erlebt hast. Das sind ja eher die Ausnahmen.
Barbara: Ja also bei dem einem Paar, die sind schon gläubig, ja das stimmt. Bei dem anderen weiß ich es nicht. Aber ich habe das jetzt schon ein paarmal gehört, so in der Generation meiner Eltern, die sind ja jetzt auch schon in den Siebzigern, also fast, dass es solche Konstellationen gibt. Man würde denken, man kennt ein Paar, oder zwei, aber es sind doch einige, was ich sehr spannend finde.
Weißes Kreuz: Ich weiß gar nicht, ob das statistisch erfasst ist.
Barbara: Ich glaube, das kann man nicht, weil es ja eine Wiederheirat ist.
Weißes Kreuz: Was ich daran sehr spannend finde ist, oder wie wichtig es ist, dass man als Paar, also nicht nur diese romantische Beziehung führt, sondern auch, dass man wirklich ein guter Freund ist. Das ist auch etwas sehr Tolles, was stark verbindet. Und ich finde das so extrem wichtig, in einer Beziehung, dass man diese Freundschaft auch ausleben kann. Also wenn ich an meine persönlichen Freunde denke, was haben wir für verrückte Sachen gemacht. Und ich kann Paare nur ermutigen auch verrückte Sachen zu machen die sie einfach zusammenwachsen lassen, und bei dem Paar, was du gerade geschildert hast oder bei diesen Paaren fällt mir das auch auf, wie sehr sie doch noch als Freunde verbunden waren. Und dass ist auch für eine Ehe oder eine Beziehung etwas sehr Wichtiges und Schönes.
Barbara: Das ist wahrscheinlich der Fall, ja. Möchtet ihr noch ein Thema ansprechen was euch noch einfällt, das ihr behandelt in eurem Verein?
Weißes Kreuz: Wir haben die Bereiche der Sexualethik, Stellungnahmen zur sexuellen Entwicklung, die wir heute in einer sehr breiten Dimension haben. Und der Bereich Euthanasie, Lebensschutz, ja. Aber wir kommen ja wieder.
Barbara: Ja, wir wollen das ja, wie ich anfangs schon angekündigt habe, werden wir eine gute, wunderbare Zusammenarbeit haben in dem Podcast. Und wir werden natürlich hauptsächlich über die Themen sprechen, mit denen wir heute begonnen haben ein bisschen hier zu diskutieren, also überblicksmäßig, ein bisschen auch in die Tiefe gehend, aber noch nicht so richtig. Wir werden das auf jeden Fall vertiefen, alles was Paarbeziehung betrifft, was diese verschiedenen Entwicklungspunkte auch in einer Beziehung betrifft. Konfliktsituationen, wie kann ich damit umgehen mit dem Unterschied Mann, Frau. Wie nimmt ein Mann oder eine Frau, natürlich pauschal gesehen, es gibt da natürlich immer wieder Unterschiede, eine Beziehung wahr oder eine Krise. Wir können natürlich nicht immer in alle Einzelheiten gehen, denn dazu braucht es ja die persönliche Beratung und Begleitung. Aber ein paar Dinge und Tendenzen kann man erklären und Hilfestellungen geben. Ich danke euch beiden recht herzlich, dass ihr gekommen seid.
Weißes Kreuz: Danke für die Einladung.
Barbara: Ich freu mich wahnsinnig auf diese spannende Zusammenarbeit, jetzt in diesem Podcast, und hoffe, dass sich viele Paare ermutigt fühlen, auch eine Begleitung in Anspruch zu nehmen. Auch dann, wenn wirklich noch keine Krise da ist.
Für heute aber wünsche ich euch einen wunderschönen Abend, eine gute Nacht oder einen wunderschönen Morgen
Eure Rosa Blume
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