Liebe Leserinnen und Leser!
Heute habe ich zwei Gäste hier und zwar den Martin Böhls und den Ernst Prugger vom Weißen Kreuz. Das Weiße Kreuz ist eine Organisation, die sich stark beschäftigt mit Paartherapie, Beratung in Ehekonflikten, Beratung bei traumatisierten Menschen und dem Lebensschutz im Sinne des Lebensendes. Wir haben uns entschlossen, in diesem Podcast eine Zusammenarbeit mit dem Weißen Kreuz zu machen, da in der Schwangerschaft oft auch Themen, die eigentlich in die Paartherapie gehören, auftauchen. Wir wollen eine Serie starten in Zusammenarbeit mit dem Weißen Kreuz, wo es um verschiedene Themen – Mann / Frau- Sein, Paar – Sein, Paartherapie, Beziehungsarbeit und viele andere Themen. Im Laufe der Zeit wird sich das immer mehr entwickeln. Dazu haben wir nun die beiden eigeladen, damit wir wirklich einmal das Weiße Kreuz und die beiden vorstellen. Martin, Ernst, wer von euch möchte gerne anfangen?
Martin: Wir freuen uns sehr, dass wir hier sein dürfen, danke für die Einladung. Wir freuen uns sehr über die Kooperation mit euch und sind da einfach auch sehr gespannt. Das Weiße Kreuz in Österreich gibt es jetzt seit etwa viereinhalb Jahren. Wir sind also ein sehr neuer Verein. Unsere Schwerpunkte sind, wie du schon gesagt hast, die Einzel- und Paarberatung, Therapie jetzt nicht unbedingt, wir sind weniger Therapeuten, aber mehr Berater, aber wir können auch an Therapeuten weitervermitteln. Uns ist es vor allem auch wichtig, viel auch präventiv zu arbeiten, also schon bevor es überhaupt zu einer Krise kommt. Wir bieten auch Seminare und Schulungen an und zum Beispiel auch Ehevorbereitungskurse, um eben wirklich auch von Anfang an auch Beziehung zu stärken. Also sobald es losgeht, in der ersten Freundschaft sozusagen schon, bieten wir solche Sachen an.
Barbara: Und wie seid ihr selbst dazu gekommen?
Ernst: Wir sind schon viele Jahre in der Ehevorbereitung tätig, auch in der Kursentwicklung und haben uns vor etwa zwölf Jahren entschieden in der Paarberatung zusammenzuarbeiten, Martin, seine Frau, meine Frau und ich. Das hat dann dazu geführt, dass wir die Notwendigkeit gesehen haben einen eigenen Verein zu gründen und so ist dann das Weiße Kreuz entstanden.
Barbara: Könnt ihr vielleicht ein bisschen genauer erläutern, wie so eine Begleitung von Paaren aussieht? Was für Paare kommen zu euch?
Ernst: Im Bereich von Prävention haben wir Material entwickelt, eben für die Begleitung von Paaren, das nennt sich heute „twogether“ und hat früher „Ehe- und Beziehungskurse“ (EBK) geheißen. Das baut im Grunde auf dem Prinzip auf, dass gute Verhaltensmuster gestärkt werden. Dazu braucht es aber Übungsmöglichkeiten. Diese Übungsmöglichkeiten ergeben sich durch ein Mentoren-Paar, das ein Paar begleitet und somit Unterstützung bietet und zusätzlich mit Arbeitsblättern arbeitet. Das Paar kann an sich arbeiten durch das Ausfüllen der Arbeitsblätter, durch Reflexion mit diesen Arbeitsblättern und dann die Begleitung durch das Mentoren-Paar, um eben gute Muster zu stärken und destruktive Muster zu verändern. Das wäre dann eben der präventive Bereich. Das machen wir für Paare in der Freundschaft, vor der Ehe und dann auch in der Ehe.
Martin: Für eine Beratung melden sich im Grunde Leute, die sich in einer herausfordernden Situation befinden, zunächst einmal per Anruf oder E-Mail. Entweder es gibt eine akute Not, beispielsweise einer akuten Ehe-Krise, oder aber auch in bestimmten anderen Lebensbereichen, beispielsweise wenn sie im Beruf nicht weiter wissen. Es gibt aber auch welche, ich denke da im Speziellen an einen jungen Mann, die eigentlich keine direkten Probleme haben und die wirklich präventiv in ihre Freundschaft investieren wollen. Dieser junge Mann kam eben mit der Frage, wie man am besten zueinander hinwachsen kann, da man ja doch auch unterschiedlich ist.
Barbara: Könnt ihr vielleicht ein bisschen zusammenfassen, was so bestimmte Entwicklungspunkte sind? Kann man das so ein bisschen sagen? Also am Anfang, wenn man sich kennenlernt, da ist ja alles meist noch ziemlich schön, aber irgendwann merkt man, dass der andere doch anders ist und nicht wie man selber und auch anders reagiert und auch andere Muster hat. Wo merkt ihr, wo eigentlich die ersten Krisenpunkte sind, wo man schon vorab schon anfangen kann, daran zu arbeiten?
Ernst: Ich denke, es gibt heute ein ganz starkes Problem, nämlich dass wir Beziehung ganz stark vom romantischen Weltbild her betrachten, also es muss mir gut gehen, es muss schön sein. Meiner Meinung nach geht dadurch aber die Beziehungsfähigkeit dramatisch zurück. Wenn dann diese Beziehungsfähigkeit bei Paaren aber nur bedingt da ist, dann gibt es keine Wertschätzung, keine Achtung. Wenn dann die Verliebtheitsphase vorbei ist und keine Wertschätzung geschieht, dann entsteht ein massives Defizit, Frauen versuchen dann das Defizit über Beziehung zu kompensieren und Männer beginnen dann in der Regel ein Stück weit dieses „herrschen“, dieses Patriarchale durchzusetzen. Dann wird es ganz schwierig für eine Beziehung. Es ist dann eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Beziehung in die Brüche geht. Dem wollen wir eben entgegenwirken, dass eben diese Wertschätzung und Achtung voreinander, auch ein Stück weit des Öffnens des Herzens dem anderen gegenüber. Dass man eben nicht nur auf der Sachebene miteinander diskutiert, sondern auch schaut, was geht denn eigentlich in dir vor und dass auf diese Weise dann Vertrauen ineinander entsteht und entstandenes Vertrauen gibt dann wieder Sicherheit für die Beziehung. Wie soll denn sonst eine lebenslange Beziehung gut gehen, wenn zu wenig Vertrauen aufgebaut wurde? Es gibt aus meiner Sicht keinen anderen Weg, als dass Wertschätzung und Achtung praktiziert wird. Man lernt ja auch und dann kann es auch gelingen.
Martin: Wo ich auch so etwas erlebe ist in dem ganzen Bereich der Herkunftsfamilie. Wenn jetzt ein romantisches Paar zusammenkommt, dann beschäftigen sie sich in erster Linie mit sich selber als Paar, aber im Laufe der Zeit wächst man natürlich immer mehr auch in die Familie des anderen hinein. Diese Unterschiedlichkeit der Herkunftsfamilie kann dann auch sehr schnell zu einem Konflikt werden. Ich denke da zum Beispiel an Männer, die dann oft sehr schnell zwischen der Frau und der eigenen Mutter stehen und versuchen wollen, das dann irgendwie zu verbinden. Da merkt man dann auch schon oft sehr früh diese Unterschiedlichkeit und da wollen wir gerne auch unterstützen, natürlich ist das jetzt nur ein Beispiel.
Barbara: Mann und Frau sind ja unterschiedlich. Wie merkt ihr das in eurer Beratung?
Ernst: Wir merken es oft, dass Frauen zum Beispiel oft weinen und dadurch die Botschaft aussenden „Hilf mir, akzeptier mich“. Männer beobachte ich eher in ihrer Härte, dass sie sich in ihrer Position behaupten, Leistungen fordern, „Sag mir, dass ich gut bin“ und so weiter. Da erscheint es mir schon, dass diese Muster sehr eindeutig sind. Man sieht dabei aber auch die Schwierigkeit, dass eben einer den anderen nicht versteht und die Botschaften eben nicht ankommen. Da haben wir dann in der Beratung eben auch die Möglichkeit, diese Signale miteinander auch zu deuten, damit es Verständnis für einander gibt. In dem ganzen Lösungsansatz zeichnen sich eben massive Unterschiede ab zwischen Männern und Frauen. Frauen versuchen mehr Beziehung zu ändern, Männer eher das System zu ändern und beide meinen es gut und es geht aneinander vorbei, weil es nicht ankommt.
Martin: Was mir auch noch einfällt ist der Bereich des Kommunizierens. Der Frau fällt es viel leichter über ihre Gefühle zu kommunizieren und Männer tun sich da extrem schwer. Ich muss aber auch sagen, man darf auch nicht alles über einen Kamm scheren, ich habe in einer Beratung bei einem Paar das genau Umgekehrte erlebt, wo die Frau nicht über Gefühle reden konnte und der Mann aber sehr wohl. Gerade der Gefühlsbereich, wo es natürlich auch total in die Tiefe geht, da erlebe ich oft auch einen großen Unterschied zwischen Mann und Frau.
Barbara: Habt ihr bei Paaren auch das Gefühl, dass es immer einen gibt, der leichter über Gefühle sprechen kann als der andere, ungeachtet dessen, ob das jetzt der Mann oder die Frau ist? Ich meine, ob das grundsätzlich vielleicht einer der Konfliktpunkte ist?
Ernst: Im Volksmund haben wir den Spruch „Gleich und gleich gesellt sich gern“ und „Gegensätze ziehen sich an“. Ich denke, Paare wo zwei gleiche zusammenkommen, die tun sich schwerer. Paare, wo Gegensätze zusammenkommen, da läuft es automatisch, noch nicht im Verstehen, wohl aber im Ausdrücken, weil diese Paare sich wehren. Bei „gleichen“ Paaren, die reden kaum noch miteinander, weil sie es ja ähnlich empfinden. Diese Paare müssen sich öffnen und die, die ohnehin unterschiedlich sind, die müssen lernen zu verstehen, warum der andere überhaupt so anders tickt.
Barbara: Was wir natürlich immer auch mitbekommen: Wenn ein Kind erwartet wird, egal ob überraschend oder geplant, in beiden Fällen ist das ein Schockmoment, manchmal im positiven, manchmal im negativen Sinn. Bei uns kommen ja oft die Frauen, wo es eher im negativen Sinn ist. Was wir aber in der Beratung immer merken, ist, dass sich da wirklich eine existentielle Frage eröffnet und zwar auch in der Beziehung. Die Frage ist dann, stehen wir wirklich zueinander oder nicht, weil dieses Kind eine neue Verantwortlichkeit hineinbringt in eine Beziehung. Diese Verantwortlichkeit betrifft auch nicht nur das Kind, sondern auch einander gegenüber. Wie erlebt ihr das?
Ernst: Ich würde unterscheiden zwischen Paaren, die ungewollt schwanger werden und Paaren, die sich auf ein Kind freuen. Da verläuft der Weg, so denke ich, grundsätzlich anders.
Barbara: Wir haben auch Fälle, wo Frauen eigentlich ein Jahr daran gearbeitet haben, schwanger zu werden, dann endlich schwanger werden und dann in absolute Panik verfallen, mehr oder weniger nach dem Motto: „Oh mein Gott, jetzt bin ich plötzlich schwanger und eigentlich passt alles plötzlich gar nicht.“ Also wo einfach Beziehungsthemen hochkommen, die vorher entweder negiert oder nicht wahrgenommen worden sind und die alleine durch die Schwangerschaft auf einmal hochkommen, sodass die Paare merken, eigentlich wollten wir ein Kind und nun bekommen wir eines und eigentlich fühlt es sich nicht so toll an wie wir uns das vorgestellt hatten.
Ernst: Ich denke, da geht es eher darum, dass sich dann einfach die Lebensumstände ändern, also aus zwei wird drei, das Geld muss geteilt werden und so weiter. Die Umstände verändern sich und wenn ein starker Wunsch gegeben ist, wie du es auch geschildert hast mit einem Jahr Warten und der sich dann erfüllt, dann muss ich lernen damit umzugehen. Aus meiner Sicht ist aber in diesem Fall ein stärkeres Potential da darauf zurückzugreifen, dass das ja der Wunsch war. Bei einer ungewollten Schwangerschaft bricht ja in der Regel ganz viel zusammen, wie geht es weiter, wie schafft man das Ganze und wenn dann auch noch die Herkunftsfamilie hineinspielt, dass eine Frau zum Beispiel nicht gewünscht ist in der Herkunftsfamilie des Mannes, erhöht das natürlich die Belastung. Sie stellt sich dann auch die Frage, wie gehen die mit meinem Kind um und so weiter.
Barbara: Da ist dann vielleicht auch die Beziehung noch nicht ganz sicher?
Ernst: Ja, genau. Hält mein Mann zu mir? Das sind alles Fragen, die müssen in der Beratung sukzessive miteinander geklärt werden. Im einen Fall hat man Ressourcen, die man nutzen kann, im anderen Fall muss man erst Ressourcen aufbauen und die Beziehung ins Zentrum stellen.
Barbara: Das war der erste Teil des Interviews mit dem Weißen Kreuz. Nächste Woche könnt ihr den zweiten Teil lesen.
Für heute wünsche ich euch aber einen wunderschönen Abend, eine gute Nacht oder einen wunderschönen Morgen,
Eure Rosa Blume
P.S: Hier der Link zur Website vom weißen Kreuz.
P.P.S:
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