Liebe Leserinnen und Leser!
Heute haben wir ein sehr sensibles Thema ausgewählt. Ich habe Jeanette Garcia hier. Sie hatte vor ca. 25 Jahren eine Abtreibung und sie war bereit darüber zu reden, wie es ihr seitdem, seit der Abtreibung geht. Wir haben uns gedacht, dass es vielleicht auch ganz gut ist, Frauen zu Wort kommen zu lassen, die das selber durchgemacht haben. Und ich möchte dir, liebe Jeanette sehr danken, dass du bereit bist, darüber zu reden, obwohl das nicht zu leicht ist, und würde dich gleich einmal bitten dich kurz vorzustellen.
Jeanette: Danke für die Einladung, liebe Barbara. Diese Einladung habe ich recht herzlich angenommen, weil es ist ein Thema, die Abtreibung und auch nach der Abtreibung. Es ist ein Thema, das immer aktuell ist. Nach 25 Jahren habe ich immer noch Reue, was ich damals gemacht habe. Ich nenne es nicht Abtreibung, ich nenne es Mord.
Barbara: Du würdest also selbst sagen, dass du dein Kind ermordet hast. Du würdest es nicht als Abtreibung bezeichnen wollen.
Jeanette: Heute, ja.
Barbara: Wie kam es bei dir zur Abtreibung, damals? Du warst 22, soweit ich mich erinnern kann.
Jeanette: Als ich damals erfahren habe, dass ich schwanger war, wollte ich nur fliehen. Aus Angst, Egoismus, Naivität. Und nicht gut informiert zu sein. Ich fand das eine schnelle Lösung, ich war sehr naiv, dumm und jung. 21 Jahre alt. Aber das ist sicher keine Ausrede.
Barbara: Wie war damals die Situation? Du warst in einer WG?
Jeanette: Genau, damals habe ich studiert, Betriebswirtschaft und ich habe mit Mitbewohnern gelebt. Was ich auch sagen möchte, wenn ich sage, dass es keine Ausrede ist, es war mir wirklich nicht bewusst, dass mein Kind sogar ein Embryo war. Ich hatte diese Information über Abtreibung überhaupt nicht, darüber nie gehört und wahrscheinlich auch nicht interessiert, denn in meiner Umgebung waren auch keine Kinder. Niemand, wo ich, wie soll ich sagen, dass ich dachte, ok, vielleicht könnte ich auch so ein Baby haben, oder wie ist eine Schwangerschaft, was sind die Phasen nach der Empfängnis von einem Kind. Dann hatte ich die Situation, wie gesagt, Studium, das wichtigste war, in dem Moment, als ich es erfahren habe, habe ich mit einer Mitbewohnerin gesprochen, und sie war älter, als ich und leider hat sie mir den falschen Rat gegeben. Sie sagte, ja es ist kein Baby, nur Zellen, es ist aber nicht da, …nur…es ist einfach blöd. Nur ein Blödsinn.
Barbara: Wie war der Kindesvater? Du warst ja in einer Fernbeziehung, damals?
Jeanette: Ich war verliebt in ihn. Man kann es nicht nennen, dass es eine stabile Beziehung war. Und dadurch, dass es eine Fernbeziehung war, hatte ich ihn auch nicht so oft gesehen, das
zusammen zu erleben, uns zu unterstützen. Sobald er das von mir erfahren hatte, war er eher passiv, und hat auch nicht gekämpft, dass wir zusammenbleiben, und um das Kind zu behalten. Er war viel
älter, als ich, wie gesagt, finanziell ging es ihm besser, als mir, und er wollte natürlich eine Lösung, eine schnelle Lösung. Er hat uns aber nicht geliebt. Und das war am Ende unser
Verhängnis.
Barbara: Ich verstehe. Und wie ging es dir danach?
Jeanette: Ich glaube, ich habe alles verdrängt und leer gefühlt, irgendwie leer. Etwas hat sich in mir verändert. Weil ich jung war, war ich dumm. Ich kann nicht wirklich sagen, wie ich mich dann gefühlt habe. Ob ich es bereut habe, oder nicht. Oder was ich getan habe. Ich hatte keine Ahnung. Ich dachte, es war nur eine kleine, winzige Seele, die kein Leben hat. Ganz ehrlich.
Barbara: Du hast mir in unserem Vorgespräch erzählt von einem Traum, den du wenige Monate nach der Abtreibung gehabt hast. Wo du gesagt hast, da ist dir eigentlich erst klargeworden, was das war.
Jeanette: Eines Tages hatte ich einen Traum, in dem ich einen winzigen Körper, oder so ein, etwas Komisches habe ich gesehen, in einem Schwimmbad, in einem Swimming-Pool, am Boden. Und ich wusste es nicht, was es wirklich war, aber unterbewusst wurde mir später klar, das war ein Embryo. Und dann hab ich bemerkt…wow, was war das. Dann habe ich angefangen zu denken das waren keine Zellen, also Zellen. Ich habe das nicht gleich so klar im Kopf gehabt, aber das war schon der Anfang mir Gedanken zu machen.
Barbara: Und was hat sich dann immer wieder ergeben im Laufe der Zeit von der Abtreibung bis heute, weil du ja selbst sagst, dass du es bis heute bereust?
Jeanette: Naja man bereut, wenn man sieht andere Kinder. Man bereut, wenn man sieht eigene Familie. Ein paar Monate nach der Abtreibung, eine Neuigkeit, jemand ist schwanger. Und dann bereut man schon, wenn man merkt, dass es nicht richtig war. Und im Laufe der Jahre kommt das immer wieder. Gott sei Dank gibt es heutzutage mehr Information, auch gegen Abtreibung, es ist auch in der Politik immer ein Thema in Europa.
Barbara: Derzeit stark, ja.
Jeanette: Und es geht darum, es geht um Information. Aber viele wissen einfach nicht, was da in Wirklichkeit entsteht. Ein Leben. Und niemand hat das Recht, zu sagen oder sich zurechtfertigen, ja, aber es ist mein Körper. Nein, es ist nicht nur das. Du transportierst sozusagen einen anderen Körper. Aber mit der Zeit ist es noch stärker, weil, die Gesellschaft ist so. Man sieht und man hört, und dann kannst du schon mehr dich informieren, ich glaube Information ist die Nummer eins in dieser Situation, also man muss sich richtig informieren lassen. Es ist etwas Neutrales, nein es ist etwas, was uns alle betrifft. Es betrifft uns in der Bevölkerung, es betrifft uns in der Familie, es geht nicht um dich, sondern es geht um andere auch. Und vor allem es geht um die Leben, die nicht die Chance haben, die ungeborenen Kinder, die keine Chance überhaupt haben, ein Leben zu führen.
Barbara: Wir haben uns kennengelernt, weil du ja zu uns gekommen bist, um auch das ein bisschen aufzuarbeiten, aber du selbst schon ein paar Schritte hin zur Aufarbeitung gemacht. Wie hast du gelernt, damit umzugehen? Du lernst es immer noch, aber was der erste Weg dorthin, als du begonnen hast damit umzugehen?
Jeanette: Ich kann nicht sagen, das ist ein erster Schritt für etwas im Leben. Es ist eine ständige Erfahrung des Lebens. Man lernt von anderen Menschen, von Büchern, sogar von Medien, je negativer die von Abtreibung sprechen, dann sicher gibt es eine Wahrheit dahinter. Ich kann nicht sagen, dass es eine bestimmte Zeit gibt, wo man sagt, ah ja, jetzt weiß ich schon, ich bin erleuchtet, nein, das kommt mit der Zeit, so mit den Situationen im Leben, …so sehe ich das.
Barbara: Du bist ja auch deswegen bereit zu reden, weil du selber ja auch die Erfahrung gemacht hast, dass du eigentlich in deinem Umfeld mit niemanden ehrlich darüber reden konntest.
Jeanette: Ja, das ist immer so, ich glaube, in einer Gesellschaft, wo Toleranz ist Nummer eins, so Toleranz, Toleranz, Toleranz, alles ist relativ. Und genauso, wenn ich in meinem Freundeskreis, oder Bekanntschaften über dieses Thema rede, irgendwann habe ich das getan, dann sagen schnell, ja, ja jeder muss entscheiden, wen und wie man will, oder ja das war richtig so. Das habe ich sehr oft gehört. Eben auch Bekanntschaften, die sogar jemanden unterstützen, junge Mädchen, die schwanger sind. Es ist einfacher in die Klinik zu gehen, …
Barbara: Das heißt du meinst, die bringen sie dazu abzutreiben.
Jeanette: Genau, um diese Situation leichter von den Schultern zu nehmen.
Barbara: Aber sie haben dir nicht wirklich zugehört, wenn du erzählt hast, dass du es bereust.
Jeanette: Sie wollen das nicht hören. Ich habe schon gemerkt, das ist ein Thema, über das niemand gerne spricht.
Barbara: Das verstehe ich, ich habe auch diese Erfahrung gemacht. Mit der Erfahrung bist du nicht alleine. Ganz im Gegenteil. Wir haben bei uns eben in der Selbsthilfegruppe, und in den anderen Kursen, die wir haben, wir haben auch zur Aufarbeitung nach einer Abtreibung sehr viele Frauen, die sagen, sie konnten mit niemanden bisher darüber reden. Ich finde das sehr mutig von dir, dass du bereit bist hier interviewt zu werden von mir, dass wir darüber reden. Dass du erzählst, wie es dir ging nach einer Abtreibung oder seither geht. Und das ist ein großer Schock für die Seele auch, wenn man das Kind abgetrieben hat, egal warum. Es ist schon auch wichtig, darüber zu reden. An die Öffentlichkeit zu bringen, dass das nicht so ein Kinderspiel ist, wie die Leute glauben. Gibt es vielleicht noch etwas, was zu erzählen möchtest? Du hast ja keine Kinder mehr in deinem Leben bekommen. Also es wäre das einzige Kind gewesen, dass du bekommen hättest damals.
Jeanette: Ja, leider. Auch nachher, du hast immer Angst davor, dass du wieder schwanger wirst und du nicht in einer richtigen Beziehung bist. Immer wieder ist das ein Thema, oder du bist in einer Beziehung, wo er keine Kinder will und das schon ganz klar sagt. Und ich glaube der Zug fährt nur einmal vorbei in eine Richtung. Und damals wie gesagt, wenn man jung ist, muss man wirklich, wenn sie es nicht kann, dann muss jemand darauf achten und ihr helfen, um dieses Problem für dein ganzes Leben nicht tragen zu müssen.
Barbara: Damit meinst du eben, nicht abzutreiben, sondern zu helfen auch das Kind zu bekommen. Dann danke ich dir ganz herzlich für dieses Interview, liebe Jeanette.
Jeanette: Ich hoffe, das hilft jemanden. Ich glaube viele denken wie ich, aber wie gesagt, es ist ein Tabu-Thema.
Barbara: Ja, das ist es, das stimmt. Das ist wahr. Umso mehr bewundere ich deinen Mut, da sehr offen darüber zu reden. Auch was du dir denkst. Ich dank dir ganz herzlich dafür, dass du dazu bereit warst, und ich möchte auch euch, liebe Hörer, dazu ermutigen, wenn ihr solche Erfahrungen gemacht habt oder in einer ähnlichen Situation seid, ihr könnt gerne bei uns anrufen, ihr könnt uns gerne auch schreiben, und auch bei uns vorbeikommen, wir helfen euch gerne dabei, auch das aufzuarbeiten, das Trauma auch aufzuarbeiten, das dadurch entsteht.
Wir euch einen schönen Abend, eine gute Nacht oder einen wunderschönen Morgen, trotz des sehr sensiblen
Themas!
Eure Rosa Blume
P.S: Wenn ihr Beratung braucht, könnt ihr euch bei uns melden. 0043-664-2000 466 bzw. beratung@lebensbewegung.at
P.P.S:
Da wir auf Spenden angewiesen sind, würden wir uns sehr freuen, wenn ihr uns mit einer kleinen Spende unterstützen würdet. So helft ihr uns auch die Qualität des Blogs und des Podcasts aufrecht zu erhalten.
Wir haben uns auch etwas für unsere monatlichen Unterstützer des Blogs und Podcasts überlegt:
5€ - eine eigens entworfene und handsignierte Postkarte 1x/Jahr und unser dankbares Herz.
10€ - eine persönliche Botschaft von uns Mitarbeitern im Audioformat 2x/Jahr
25€ - eine persönliche Botschaft von uns Mitarbeitern im Videoformat 2x/Jahr
50€ - persönlicher Kaffeeplausch 1x/Jahr bzw. Einladung zu einer Veranstaltung.
Die Spende ist steuerlich absetzbar!
Österreichische Lebensbewegung
Verwendungszweck: Podcast
IBAN: AT51 3200 0000 0374 0552
BIC: RLNWATWW
Vielen Dank!