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offene Fetalchirurgie - Interview mit Prof. Meuli

von swissfetus.ch
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Liebe Leserinnen und Leser!

 

Heute geht es um offene Fetalchirurgie. Dazu konnte ich Prof. Meuli aus Zürich interviewen!

 

 

 

Barbara: Soweit ich das mitbekommen habe, sind Sie ja führend was die offene Fetalchirurgie an sich betrifft in Zürich und einer der Schwerpunkte dabei ist ja natürlich Spina Bifida. Wie ist das mit dieser offenen Fetalchirurgie? Ich hab mich zwar natürlich ein bisschen eingelesen, aber ich kann mir vorstellen, dass sich viele unserer Hörer darunter nicht viel vorstellen können. Wie kann man sich das überhaupt vorstellen? Also es gibt die Möglichkeit, Spina Bifida noch während der Schwangerschaft zu operieren?

 

Prof. Meuli: Ja genau. Die Situation ist relativ einfach gesagt, es ist nicht so einfach getan. Prinzipiell ist die Spina Bifida- Operation, also die offene Operation am Fötus, also am ungeborenen Kind, das einen offenen Rücken hat, so, dass zuerst die Bauchdecke der Mama geöffnet werden muss. Darin findet man den schwangeren Uterus, die Gebärmutter, das ist zu diesem Zeitpunkt schon ein sehr großes Organ und dann muss man an einem geeigneten Ort. diese Gebärmutter öffnen und dann muss man den offenen Rücken des Babys in diese Öffnung hinein manipulieren, dass praktisch der offene Rücken, also der Ort der Fehlbildung aus dem Bauch herausschaut und dann wird da die Operation prinzipiell so gemacht, wie sie auch gemacht werden würde, wenn das Baby schon auf der Welt wäre. Also es ist keine andere Operation, sondern es ist dieselbe Operation mit einigen wenigen Anpassungen, die man hier jetzt nicht irgendwie diskutieren muss.

 

Barbara: Und wie weit muss das Kind dabei schon entwickelt sein? Also in welcher Schwangerschaftswoche geschieht das normal?

 

Prof. Meuli: Also die Schwangerschaft dauert ja beim Menschen 40 Wochen und die ideale Zeitphase, während der diese Operation gemacht werden sollte, liegt zwischen der 23. und der 26. Schwangerschaft und das wäre auch das Zeitfenster während dem wir eigentlich sämtliche Patientinnen operieren.

 

Barbara: Das ist ja eigentlich schon ziemlich früh, also eigentlich sowohl spät und früh.

 

Prof. Meuli: Es ist einfach schon ein bisschen über der Mitte der Schwangerschaft. Also es ist relativ spät in dem Sinne, dass das Kind schon vollständig entwickelt ist, also es ist alles irgendwie da, da passiert nichts Wesentliches mehr, außer Wachstum und Reifung, das passiert natürlich noch relativ ausgeprägt und auf der anderen Seite ist die Operation noch relativ früh, denn wir operieren ja ein Kind zu einem Zeitpunkt, wo es auf der Welt noch wenig Chancen hätte zu überleben. Also es ist schon wichtig, dass die Operation so erfolgt, dass danach die Schwangerschaft noch idealerweise drei Monate weitergeht und das Kind dann erst mit 37 Wochen zum geplanten Termin zur Welt kommt.

 

Barbara: Das heißt, es wird dann auf jeden Fall per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht?

 

Prof. Meuli: Es ist immer so, das ist obligatorisch, dass die Geburt mit einem Kaiserschnitt erfolgen muss.

 

Barbara: Weil sonst die Komplikationen noch zu groß wären wahrscheinlich?

 

Prof. Meuli: Nein es ist einfach so, dass eine Spontangeburt mit sehr hohen Drucken und Spannungen auf die Gebärmutter verbunden ist und da haben wir vor nicht allzu langer Zeit noch eine anständig große Öffnung gemacht und die dann wieder zugemacht und es besteht die Gefahr, dass an dieser Stelle dann zu einem Aufriss dieser Naht kommt und das wäre sofort sehr gefährlich und zwar sowohl für die Mama, als auch für das Kind.

 

Barbara: Wie geht dann die Entwicklung dann beim Kind dann weiter? Man hat ja schon diese Operation gemacht, man hat den Rücken ja zusammengenäht, wenn ich das richtig verstehe. Da sind ja dann auch Nähte drinnen, oder?

 

Prof. Meuli: Ja genau. Es ist eben eine ganz „normale“ Operation. Es wird dabei ein offener Rücken wieder in einen geschlossenen verwandelt, durch die Operationsschritte, die man da macht, das hat viel mit Gewebe-Präparieren und vor allem auch Rekonstruieren – sprich zusammennähen – zu tun, sodass am Ende der Operation die Haut wieder geschlossen ist und unterm Strich alle Gewebeteile wieder so zusammengefügt sind, wie es eben normalerweise der Fall ist und es die Anatomie eigentlich vorgibt. Das ist das Ziel der Operation und das erreichen wir auch regelmäßig.

 

 

 

Barbara: Ich habe auch selber eine Freundin, die auch Spina Bifida hat und ich wusste das bis vor kurzem gar nicht. Sie geht halt immer auf Krücken. Mir war das gar nicht so klar, weil sie ihr Leben eigentlich ganz normal lebt. Ich muss sie eh mal fragen, ob sie auch so eine Operation hinter sich hat, wahrscheinlich.

 

Prof. Meuli: Wenn sie tatsächlich einen offenen Rücken hatte, dann hatte sie sicher so eine Operation hinter sich, natürlich nicht vorgeburtlich, weil es das wohl damals noch nicht gegeben hat, sondern eine normale. Es ist so, wenn man so eine offene Rücken-Problematik sehr tief hat, also zum Ende der Wirbelsäule zu, also im Bereich des Steißbeins, dann ist es möglich, dass man eben mit Hilfe von Krücken oder einem Rollator beispielsweise selbstständig gehen kann, zumindest für kleinere Geradeaus-Strecken.

 

Prof. Meuli: Aber wenn man etwas höher, also im Lendenwirbel-Bereich diesen offenen Rücken hat und dann damit auf die Welt kommt und dann wird das zugemacht, dann ist man in der Regel ein Leben lang an den Rollstuhl gebunden. Das ist eben das, was die vorgeburtliche Operation zu vermeiden versucht.

 

Barbara: Das ist super! Ich habe jetzt auch gehört, dass es auf Grund des offenen Rückens auch zu Komplikationen mit dem Verdauungstrakt kommen kann.

 

Prof. Meuli: Das ist definitiv so. Es ist im klassischen Fall, also zu 80, vielleicht sogar 90% so, bei allen diesen Situationen vorhanden. In diesem klassischen Falle ist es so, dass man mit einer weitgehenden Lähmung der Beine rechnen muss, sodass ein Rollstuhlleben bevorsteht und gleichzeitig sind diese Patienten auch inkontinent, was den Urin und auch was den Stuhl angeht, also die Ausscheidungsfunktionen sind sehr schwer gestört und die Sexualfunktion ist auch in diesem Zusammenhang gestört, wenn ein Mensch eben mit so einem offenen Rücken auf die Welt kommt und erst dann operiert wird.
Anders herum ist es so, dass genau diese Dinge im besten Fall durch die vorgeburtliche Operation vermieden werden können, weil zu diesem sehr frühen Zeitpunkt wo das Rückenmark eben noch funktioniert quasi diese Funktionen bewahrt werden können, eben durch diese sehr frühe, eben vorgeburtliche Operation.

 

Barbara: Eine Frage, die ich mir noch stelle: Man hat natürlich auch ein Fruchtwasser und wenn jetzt da am Kind was gemacht wird, das Kind befindet sich ja im Fruchtwasser. Wenn ich jetzt in dieser Situation wäre und wüsste, ok ich würde jetzt da operiert werden, dann hätte ich die Angst, dass da das Fruchtwasser abgeht oder es zu einer Fehlgeburt kommen könnte. Wie hoch ist denn da das Risiko von all diesen Dingen?

 

Prof. Meuli: Was das Fruchtwasser betrifft – da müssen wir vielleicht zwei verschiedene Ebenen vielleicht kurz beleuchten. Die erste ist, während der fötalen – also vorgeburtlichen – Operation des offenen Rückens wird selbstverständlich sofort bei Eröffnung der Gebärmutter das Fruchtwasser abfließen. Wir stecken dann aber einen kleinen Plastikschlauch in die Fruchthöhle hinein, in die dann körperwarmer Ersatz für das Fruchtwasser ständig hineinläuft, sodass der Fötus immer noch sein Badegefühl hat und nicht im Trockenen zu liegen kommt. Am Ende dieser Operation wird dann unter Ultraschallkontrolle wird dann wieder ein gleiches Maß, eine gleiche Menge an Fruchtwasser in die Gebärmutter hineingelassen wie es vor der Operation war, also einfach eine zu diesem Zeitpunkt normale Fruchtwassermenge und so wird der Uterus dann zugemacht und dicht verschlossen, sodass dieses Fruchtwasser nicht abfließt. Das ist etwas, das man eigentlich regelmäßig so erreicht und am Ende der Operation ist alles zu und das Fruchtwasser ist zu einer korrekten Menge wieder drinnen.
Der andere Prunkt ist folgender: Weil man eben diese Operation gemacht hat, ist es schon möglich, dass es im Laufe der kommenden Wochen zu einem Aufreißen der Eihäute kommt an irgendeiner Stelle und das kann dann unter Umständen zu einem vorzeitigen Blasensprung führen, wo dann eben das Fruchtwasser wirklich auch abgeht und wegen dieser Situation kann es im schlimmsten Fall dann auch zu einer Frühgeburt des Kindes kommen. Das haben wir auch schon erlebt. Das ist tatsächlich auch eine der Risikosituationen in der Folge so einer vorgeburtlichen Operation – eben dass es zu einer Frühgeburt kommt, weil ein vorzeitiger Blasensprung vorliegt. Die Regel ist allerdings so, dass dieser vorzeitige Blasensprung nicht sofort, sondern oft erst nach 30 Schwangerschaftswochen kommt, oftmals oft auch erst deutlich später, sprich erst in der 34., 35., oder sogar erst in der 36. Schwangerschaftswoche – also viele Wochen nach der fötalen Operation und zu diesem Zeitpunkt ist es dann auch kein Problem mehr, wenn man das Kind frühzeitig holen muss, weil es ist dann nur eine milde, ungefährliche, unproblematische frühgeburtliche Zeit vorhanden.

 

Also die Angst, die Sie erwähnt haben, ist auf der einen Seite in diesem Zusammenhang ein sehr wichtiger Punkt, auf der anderen Seite ist die Frühgeburt kein vordergründiges Problem und wir haben mittlerweile schon 97 solche Operationen gemacht.

 

Barbara: Das ist gut, für mich wäre das sehr beruhigend. Wie sieht das dann aus für die Frau nach der Operation? Es wird wahrscheinlich wichtig sein, dass sie in der Nähe von Zürich bleibt

 

Prof. Meuli: Also es ist so, unmittelbar nach der Operation muss die Frau für zwei, manchmal auch für drei oder vier Wochen bei uns im Spittal bleiben, solange eben, bis alles gut verheilt ist und vor allen Dingen bis wir wirklich wissen, dass keine vorzeitige Wehentätigkeit vorhanden ist, die natürlich eine instabile Situation darstellt und man will natürlich nicht, dass die Frauen da irgendwo hingehen. Wenn allerdings eine Beruhigung der Gebärmutter, des Uterus vorhanden ist und keine vorzeitigen Wehentätigkeiten da sind und alles gut verheilt ist, dann kann sie, wenn sie nicht gerade sehr weit weg wohnt, in der Regel nach Hause gehen, also Wien zum Beispiel Wien, Linz, Graz, Salzburg, dem Zillertal – das sind alles Orte, wo wir schon österreichische Patientinnen operiert haben. Die sind durchaus da nach Hause gegangen und sind dann erst kurz vor der geplanten Kaiserschnittgeburt wieder bei uns erschienen. Nur wenn das mit dem Fruchtwasser nicht gut ist, wenn es ständig Wehen gibt – sprich wenn es eine instabile Situation ist, dann darf die Frau nicht nach Hause gehen oder wenn die Frau von weit weg kommt, beispielsweise aus Palermo oder irgendwo aus Russland, dann dürfen die Frauen nicht dorthin zurück, weil es einfach zu weit weg ist, dann müssen in Zürich bleiben, nicht im Spittal, sondern in einem Elternzimmer, das unser Spittal den Frauen / Familien zur Verfügung stellt und dann sind diese Leute einfach für eine gewisse Zeit in Zürich, zwei Monate oder drei.

 

Barbara: Das ist ja wirklich wunderbar! Das ist ja wirklich eine tolle Einrichtung. Danke, dass Sie das machen und da wirklich auch vielen Frauen und Kindern noch helfen. Jetzt ist natürlich die nächste Frage, wie lange dauert es denn, bis man nach der Geburt nach Hause gehen dürfte?

 

Prof. Meuli: Also wir haben ein standardisiertes Vorgehen, das so ist, dass das Kind mit einem Kaiserschnitt auf die Welt kommt und wenn es dem Kind gut geht, keine besonderen Probleme vorhanden sind und das ist durchaus die Regel, so bleibt das Kind während der Wöchnerinnenzeit der Mutter auf der Station der Mutter. Und nachher, wenn die Mama entlassungsfähig ist aus der Wöchnerinnenstation, dann kommt die Mama mit dem Baby zu uns ins Kinderspittal, das ist ja praktisch fast danebengelegen und das Kind kommt dann auf die Neonatologie, also auf die Neugeborenen- Abteilung und die Mama kann da prinzipiell Tag und Nacht dabei sein und dann müssen wir dieses Kind praktisch vom Scheitel bis zur Sohle abklären und ganz genau feststellen, wo bei diesem Kind allfällige Probleme auftreten könnten, eben in Zusammenhang mit dem offenen Rücken, vielleicht auch mal in Zusammenhang mit irgendeiner anderen Problematik und wenn wir dann diese ganze Abklärung gemacht haben und auch alle Konsequenzen daraus gezogen haben, Therapien, Elterninformation und auch Elterninstruktion wie sie das eine oder andere Problem selber händeln können – dann erst kann das Kind definitiv mit der Mama oder eben den Eltern nach Hause gehen, ob das jetzt Wien oder Berlin oder Mailand oder was auch immer ist. Allerdings müssen wir vorher – und das muss natürlich auch vorher gemacht werden – am Wohnort ein Nachbetreuungsnetz etabliert haben, sodass die Eltern dann zu Hause wissen, zu welchem Zeitpunkt sie welchen Arzt aufsuchen müssen, um dort allfällige Kontrollen zu machen. Es ist auch so, dass wir die Operation nur anbieten, wenn die Eltern damit einverstanden sind, unser Langzeitnachsorgeprogramm auch in Anspruch zu nehmen, das heißt, sie kommen in regelmäßigen Abständen, also nach 3 Monaten, 6 Monaten, 12 Monaten, 24, 36, also jährlich dann, zu uns in unser Spina Bifida- Zentrum, das wir hier in Zürich haben und da werden diese Kinder mit einem sehr strukturierten Nachsorgeprogramm weiterbetreut, sodass man eben das heutzutage bestmögliche Abklärungs- und Behandlungsmuster eben auch über eine lange Zeit nach der Geburt nämlich bis zum Übertritt ins Erwachsenenalter sicherstellen kann. Das ist unsere Philosophie einer wirklcih umfassenden Gesamtbetreuung bezüglich all der Probleme, die da sein können und aber auch bezüglich der gesamten Phase von der Geburt bis zum Übertritt ins Erwachsenenalter.

 

Barbara: Was mich nun natürlich auch noch interessieren würde: Gibt es noch andere Indikationen, bei denen man eine offene Fetalchirurgie macht, außer bei Spina Bifida.

 

Prof. Meuli: Es gibt einige ganz wenige Situationen, bei denen allenfalls eine offene fetale Chirurgie in Frage kommt und da handelt es sich fast ausschließlich um Tumore. Es gibt sehr groß werdende Lungentumore, die eventuell nicht auf die medikamentöse Therapie reagieren und die das Kind während der Schwangerschaft umbringen würden, wenn man sie nicht vorgeburtlich herausnimmt. Das ist eine sehr seltene Angelegenheit, wir bieten diese Operation in Zürich an, haben aber noch keinen Fall so operiert, weil das eben effektiv sehr selten ist und meistens ist es so, dass sie medikamentöse Therapie diese Probleme gut anspricht und es dann eben nicht zu einer vorgeburtlichen Operation kommt. Ein ähnliches Problem sind die sogenannten Steißbeintumore, die es ebenfalls geben kann und die riesengroß werden können und die quasi zum intrauterinen Tod, zum Fruchttod führen können, wenn sie nicht vorgeburtlich operiert werden, das würden wir auch tun, aber auch solch einen Fall haben wir bisher nicht operiert.

 

Barbara: Ok, also es kommt offensichtlich sehr selten vor.

 

Prof. Meuli: Sehr sehr selten! Das ist deutlich seltener, als die Spina Bifida es ist und die ist an sich auch schon relativ selten. Sie ist für uns nur zu einer täglichen Arbeit geworden, weil wir wie Sie schon erwähnt haben, einfach das führende Zentrum in Europa sind und natürlich haben wir noch eine viel größere Anzahl an Abklärungen. Es ist so, dass wir vielmehr Frauen sehen, als dann tatsächlich auch vorgeburtlich operiert werden, bei gewissen Frauen kommt es dann zum Abbruch, weil die Situation so ist, dass man vielleicht nicht helfen kann oder es so ist, dass die Eltern trotz der Möglichkeiten der fetalen Operation entscheiden, dass sie das nicht haben wollen und die Schwangerschaft abbrechen. Es ist manchmal so, dass wir gar keinen offenen Rücken finden, der zu operieren ist, sondern etwas anderes oder vielleicht auch gar nichts oder einfach eine harmlose Form der Spina Bifida, die man keinesfalls vorgeburtlich operieren darf. Das kommt auch gelegentlich mal vor. Und gelegentlich müssen auch wir von unserer Seite her sagen das Kind hat eine Konstilation von Problemen oder zusätzliche Probleme Chromosomenstörung, schwerste Herzfehler, schwere Hirnfehlbildung, irgendwelche Dinge wo man dann sagen muss in der Gesamtschau qualifiziert diese Situation eben nicht für eine vorgeburtliche Operation und dann müssen wir sie ablehnen.

 

Barbara: Ich verstehe. Wie lange machen sie das eigentlich?

 

Prof. Meuli: Also dieses vorgeburtliche Operationsprogramm Fetale Chirurgie ist eröffnet worden oder haben wir begonnen im Dezember des Jahres 2010 wir haben allerdings im Jahre 2010 und 2011 und 2012 nur je eine Patientin operiert und dann hat das dann sehr angezogen und hat eine sehr wie soll man sagen eine sehr wirblige Thermik der Gestalt erfahren, dass wir dieses Jahr jetzt bereits ich glaube 27 oder 28 Patientinnen operiert haben und wahrscheinlich einiges über 30 solcher Operationen kommen. Das ist vor allem in den letzten drei vier Jahren ist das rasant angestiegen und bringt natürlich gewisse Probleme mit sich ist auch sehr gut ich meine wir sind die Spezialisten dafür, wir machen uns stark für diese Operation und wir haben viel gearbeitet, ich meine auch gut gearbeitet gute Resultate, und das hat zur Folge, dass man eben irgendwie bekannt wird, nicht nur als Leute die es einfach machen, sondern als Leute die es gut machen, und natürlich ist auch unsere Langzeitnachsorge etwas was für die Kinder und für die Familien etwas sehr wertvolles ist, weil draußen in der Welt sozusagen gibt es ja nicht jeder Kinderarzt hat ja nicht die eine Erfahrung mit solch einem Patienten der einen Zustand nach fetaler Chirurgie hat. Sondern diese Erfahrung hat eigentlich gar niemand. Und darum ist es nicht erstaunlich, dass die Leute prinzipiell auch aus dem Ausland sehr regelmäßig in unsere Nachsorge kommen, weil sie hier natürlich genau spüren, die Leute wissen ganz genau was sie tun und wovon sie reden, und andernorts ist natürlicher weise, ich sage das ohne jeden Ton des Vorwurfs, notabene, andernorts ist das natürlicher weise noch nicht so. Weswegen das keine Therapie ist, die in jedem größeren Kinderspital angeboten wird.

 

Barbara: es kommt ja auch nicht Tag, ich meine ist gibt ja auch nicht jeden Tag einen Fall mit Spina Bifida

 

Prof. Meuli: Nein nein natürlich, das ist durchaus richtig, dass diese ganz seltenen und gleichzeitig sehr sehr anspruchsvollen Abklärungen Therapien Operationen und auch Nachsorgen, dass das an ganz ganz wenigen Zentren konzentriert wird sodass diese Zentren wirklich eine hohe Fallzahl pro Jahr haben sodass eine gewisse Routine, eine hohe Expertise, eine hohe Erfahrung von all den vielen Leuten die da involviert sein müssen, vorhanden ist. Wenn die Fälle verdünnt werden, über ganz Europa, weil in jeder Ecke irgendwo jemand ist der alle zwei Jahre mal einen solchen Fall operiert, dann kommt das nicht gut.

 

Barbara: ja das stimmt, das ist klar. Und wie war eigentliche ihre erste Operation? Wie kamen sie überhaupt auf die Idee das zu machen?

 

Prof. Meuli: Also es ist so dass meine Frau und ich in den 90er Jahren in Amerika waren und dort eine Forschung gemacht haben am fetalen Schaf Modell mit der Frage ob eben diese offenen Rücken Problematik nicht vorgeburtlich operiert werden können; mit einem entsprechenden Benefit und diese am Tiermodell hat gezeigt, ja das ist sehr wahrscheinlich so. Und dann ist dann von meinem damaligen Chefen diese Sache, aufgrund unserer Forschung, in Amerika zum ersten Mal operiert worden und dann ist es dann häufiger operiert worden, haben eine große Studie gemacht in Amerika, und haben gesehen es ist wirklich wahr. Was diese Meuli’s da damals herausgefunden haben, es ist für gewisse Fälle tatsächlich sinnvoll und möglich eine solche vorgeburtliche Operation zu machen. Und dann im Gefolge dieser Resultate haben wir dann hier in Zürich mit der Hilfe unserer amerikanischen Partner, also die gleichen Freunde von damals eben, unser Programm aufgebaut, und so ist es dann auch eines schönen Tages einfach zur ersten Operation gekommen. Das war natürlich auch eine große Befriedigung zu sehen, dass jetzt sich der Kreis gewissermaßen schließt, von der damaligen Forschung in Amerika, welche gesagt hat, dass sollte man beim Menschen mal machen, weil das hat wahrscheinlich einen großen Benefit bis zur Tatsache, dass man das mal selber gemacht hat und gesehen hat, dass die eigene Forschung von früher, jetzt zwanzig Jahre später, notabene, dann auch eine klinische Anwendung beim menschlichen Patienten findet und da tatsächlich in aller Regel einen großen Vorteil bringt für diese Kinder.

 

Barbara: Das ist wunderbar, dass die Forschung so weit geht auch einfach im Mutterleib zu operieren und ich hoffe ja, dass man vielleicht in Zukunft, es gibt ja schon einige Dinge die man auch schon am Fötus therapieren kann, und ich nehme mal an, so wie ich die Medizin kenne, dass das nicht das Ende, sondern erst der Anfang war.

 

Prof. Meuli: Ja, sie haben sicher recht insofern als wir durch alle diese Tätigkeiten lernen, dass es tatsächlich möglich ist sehr genaue Diagnosen zu stellen, mehr und mehr schon eben während der Schwangerschaft und im Gefolge dieser Diagnosen auch mehr und mehr in die Lage kommen bereits vorgeburtlich, da wo das eben sinnvoll ist, bereits eine Therapie zu machen, selbst wenn es eine chirurgische, dann eben eine fetal chirurgische Therapie ist und ich denke schon, dass die Bücher über diesem Thema erst so richtig geöffnet werden und keineswegs geschlossen sind. Da teile ich ihre Erfahrung.

 

Barbara: Ja, das glaub ich auch. Dann danke ich ihnen ganz ganz herzlich für das Interview.

 

Prof. Meuli: Sehr gerne!

 

Barbara: Das war wahnsinnig interessant und dann hoffe ich, dass unsere Hörerrinnen, sollte es vorkommen, dass eine unserer Hörerrinnen eines Tages mit einem Kind mit dem Befund Spina Bifida schwanger sein sollte, dass sie den Mut hat dann zu ihnen zu fahren, ich werde auch die Klinik verlinken, und sich dann bei ihnen einfach meldet.

 

Prof. Meuli: Ja, das wäre ganz sicher gut, und es ist so, dass wir ja nicht, wie soll ich sagen, die Aufgabe haben diese Frauen dazu zu bringen sich operieren zu lassen, sondern unsere Aufgabe ist es eine Abklärung zu machen und dann herauszufinden ob dieses Kind das Ungeborene ein guter Kandidat ist für eine vorgeburtliche Operation und wenn ja, die Leute darüber aufzuklären, wie halt diese ganzen verschieden Punkte sich verhalten, der Gestalt, dass dann dieses Ehepaar einfach in der Lage ist eine daten- und kenntnisgestützte Entscheidung zu fällen, ob sie dann vielleicht die fetale Chirurgie machen wollen, vielleicht aber auch einen anderen Weg gehen wollen. Wir sind nicht dazu da zusagen welcher Weg gegangen sein muss, sondern wir sind dazu da zu sagen, kann der Weg der fetalen Chirurgie beschritten werden ja oder nein, und wenn ja, wie würde es dann mutmaßlich herauskommen, sodass die Leute selber und ohne in eine Bedrängnis zu geraten, entscheiden können wollen wir das jetzt oder wollen wir das nicht. Das ist die Meinung. Was ganz schlecht wäre ist, wenn junge Frauen mit dieser Diagnose irgendwie nicht von der Möglichkeit einer eventuellen vorgeburtlichen Therapie unterrichtet werden. Genau so ist das.

 

Barbara: Wunderbar, sehr schön! Dann danke ich ihnen ganz herzlich für das Interview und für ihre Bereitschaft und ich wünsche ihnen alles Gute und das sie noch ganz vielen Kindern und Familien helfen können.

 

Prof. Meuli: Ja, das hoffe ich, das wir das machen können und ich bedanke mich herzlichst! Es war sehr angenehm. Vielen Dank für ihre Wünsche ihre Anerkennung!

 

Barbara: Danke! Dann wünsche ich ihnen einen wunderschönen Tag.

 

Prof. Meuli: Das wünsch ich ihnen auch. Alles Gute! Und vielleicht bis bald mal. Adieu! Vielen Dank.

Barbara: Auf Wiederhören.

Euch lieben Leserinnen und Lesern wünsche ich noch einen wunderschönen Morgen, einen schönen Abend oder eine gute Nacht!

 

Eure Rosa Blume

 

P.S: 

Hier noch die Links zum Zentrum in Zürich!

P.P.S:

 

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