Heute geht es weiter mit dem spannenden vierten Teil vom Interview mit Frau Holle.
Frau Holle: Ich kann mich noch erinnern an ein Wort von der Schwester der Neonatologie, die mir in dem Moment, wo es lebensbedrohlich für den Tobias war, auf die Schulter geklopft hat und gemeint hat, vielleicht verstehe ich es in diesem Moment nicht, was sie mir jetzt sagt, aber sie arbeitet da schon länger und hat diese Erfahrung des Öfteren gemacht, dass solche Dinge leider nur Menschen treffen, die eine sehr starke Persönlichkeit haben, damit umzugehen. Und sie hat gemerkt, dass ich ein solcher Mensch bin. Das glaube ich im Nachhinein auch, denn es stärkt schon. Und durch die Kinder habe ich geschaut, wie ich mir Wege gesucht habe, wie ich das bestmögliche aus den Kindern rausholen kann, sei es homöopathisch, mit Osteopathie oder mit ätherischen Ölen. Wie es den Kindern, und uns einfach wieder bessergeht, dass wir schauen können, dass wir jetzt wieder auf einem Stand sind, wo ich sage, dass die Kinder bis auf die Moto-Pädagogik, wobei das haben normal entwickelte Kinder auch jetzt auf einem normalen Level sind. Das habe ich aus eigener Kraft geschafft. Man hat natürlich oft Phasen, wo man glaubt, das schafft man alles nicht mehr, ich habe es aber geschafft. Und bin jetzt eigentlich froh, dass ich durch das Ganze durchgegangen bin.
Tara: Ja, ich glaube bereuen wird man´s nie und ich meine ich kenne sie ja. Sie sind fröhliche Jungs und machen einen ausgeglichenen und glücklichen Eindruck. Wie geht’s denn ihrem Lebenspartner dabei, wie hat er das Ganze gesehen?
Frau Holle: Naja, schlimm war natürlich die ganze Schwangerschaft für ihn als Mann. Das weiß ich aus unseren Gesprächen. Hat aber auch unsere Beziehung irrsinnig gefestigt, weil so etwas erlebt nicht bald einmal ein Pärchen oder eine Partnerschaft, neben Hausbau und Problemen auf der Baustelle, wo´s ums Leben der Kinder und um das Leben der Frau geht. Ich weiß, es hat ihn irrsinnig belastet, Männer sprechen über das Thema ja nicht so. Er hat einmal zu mir gesagt, als wir in der Situation waren, er fühlt sich so hilflos. Ich habe die ganzen Schmerzen und er kann mir nichts abnehmen. Ich muss eigentlich alles komplett alleine durchstehen. Und fragt sich manchmal woher ich die Kraft hernehme. Ich habe ihm dann gesagt, ich will, dass unsere Kinder überleben, nicht mehr und nicht weniger und dafür würde ich alles tun was in meiner Macht steht. Er hat mich dann auch immer gestärkt oder wir uns gegenseitig, denn auch er hatte mal Phasen, in denen er nicht mehr daran geglaubt hat, dass unsere Kinder überleben werden. Aus jetziger Sicht sind wir natürlich beide sehr stolz auf uns.
Tara: Ja sicher und ihr seid eine glückliche Familie. Natürlich sind noch Hindernisse vor euch, dass wisst ihr, aber ihr habt eigentlich das Schwerste schon hinter euch.
Frau Holle: Also das Lebensbedrohliche ist weg und das war eigentlich das Schlimmste. Wenn man bis zur Geburt schon 3 Operationen im Mutterleib hat. Das war die schlimmste Zeit.
Tara: Natürlich auch die Gefahr vor Infektionen im Krankenhaus, wenn beide Zwillinge geboren sind, vielleicht kommt jetzt doch noch ein Anruf aus dem Krankenhaus? Schrecklich.
Frau Holle: Genau, aber der schlimmste Tag war eigentlich, in der 26. Woche, da bin ich ja mit dem Blasensprung gekommen, in der 28. Woche dann der Notkaiserschnitt aufgrund dieser Fieberzacke war ich dann noch eine Woche länger bei ihnen im Spital aber die Nacht bevor ich gewusst habe, ich darf am nächsten Tag nach Hause und ich muss das Gebäude verlassen wo meine Kinder drinnen sind und neben mir eine Zwillingsmama ihren Maxi Cosi gepackt hat mit den Kindern drinnen. Und wir sind ohne Maxi Cosis nach Hause gegangen. Das war dann Schlimmste überhaupt.
Tara: Das tut weh.
Frau Holle: Ja, das hat ganz furchtbar weh getan. Denn das muss man dann noch extra verkraften, dass man ohne Kinder heimgeht und man selbst nicht mehr in dem Gebäude ist. Und die Schwestern jetzt eigentlich für das Leben deiner eigenen Kinder zuständig sind.
Tara: Ich gebe meine Neugeborenen in fremde Hand sozusagen.
Frau Holle: Genau, da hat auch er gesagt, schau, wir gönnen es ihnen zwar, sind froh, dass sie das nicht auch mitgemacht haben. Aber wir gehen ohne unsere Kinder heim. Das war sehr bedrückend an dem Tag und die Tage drauf. Bis dann irgendwie die Routine gekommen ist mit Milch abpumpen, Milch hineinführen, täglich die Besuche, teilweise wenn sie stabil waren, durften wir sie aus dem Inkubator rausnehmen und mit ihnen Känguruhen, also dieses kuscheln, was sehr wichtig ist für die Kinder, weil je mehr Kontakt sie zur Mutter haben desto mehr glaube ich kämpfen die Kinder auch ums Überleben. Und umso mehr baut man auch selbst das Gefühl auf, was total wichtig ist und einem selbst auch Kraft gibt weiter zu kämpfen. Wir haben auch immer geschaut, dass wir gemeinsam sind und uns die Zeit freigehalten, damit ich nicht nur ein Kind rausnehmen kann, wenn ich alleine bin, sondern dass jeder eins hat, und ich wechsle. Zum Schluss, als sie stabiler waren, habe ich schon beide gleichzeitig rausgenommen, aber das ist auch Stress, weil diese Sättigungsabfälle doch auch gegeben sind, wenn sie draußen sind. Wenn eines draußen war, war es entspannender, weil man sich nur auf das konzentrieren hat müssen, und nicht, was ist jetzt auch mit dem Zweiten. Jetzt piepst der Monitor, dann der andere. Wenn es getrennt war, war es schon besser. Oder mal anzufangen das Kind zu wickeln, man kann es sich nicht vorstellen, man steht davor, 32 cm, meine Hand hat den Bauch von dem Kind abgedeckt. Man weiß gar nicht wie man das Kind anfassen soll und wie man denn die Windel draufgibt. Das sind die kleinsten Windeln und die schauen schon groß aus. Und da denkt man sich schon manchmal, was habe ich gemacht, wieso ist das mir passiert? Und wieso habe ich es nicht geschafft, dass die Kinder bis zum Schluss im Mutterleib bleiben? Man stellt sich schon die Frage, warum eigentlich ich? Man versteht es auch in diesem Moment nicht. Im Nachhinein sehe ich das so, es hat passieren müssen, es war das Schicksal, ich habe die Erfahrung machen müssen und bin auch fast auch wenn schwer vorstellbar ein bisschen dankbar. Sonst hätte ich viele Erfahrungen nicht gemacht. Und hätte nicht gelernt, wie man gewisse Dinge schaffen kann und wie einen das stärken kann. Ich habe ja selbst nicht gewusst, wieviel Kraft eigentlich in mir selbst steckt und ich in mir habe. Und dass ich diese Kraft den Kindern weitergegeben habe, das hat meine Kinder einfach irrsinnig gestärkt, und haben von Klein an gelernt, dass man kämpfen muss. Eine Schwester hat zu mir gesagt, sie werden sehen, ihre Kinder werden ihnen keine großen Probleme machen, weil sie werden einfach nur dankbar sein, dass sie da sind, und sie werden sehr genügsam sein, und das ist auch so. Für uns sind viele Dinge nicht wichtig, die vielleicht für andere wichtig sind, für uns steht das Leben und die Gesundheit immer im Vordergrund und alles andere ist einfach Nebensächlich. Dass es uns und den Kindern gut geht, und wir das aus eigener Kraft geschafft haben und wir das an die Kinder weitergegeben haben. Und man niemals aufgeben soll, auch wenn es manchmal total schwierig war und man nicht mehr gewusst hat wie man das alles schafft. Aber man darf den richtigen Blickwinkel nie verlieren.
Tara: Ihnen ist quasi diese Situation anvertraut worden. Ich sage von Gott anvertraut, er sieht zum Teil Menschen, und sagt, ja, diesen Menschen kann ich das anvertrauen. Und er wird es schaffen, und das ist ein Geschenk. Vor allem auch, dass man sagt, ich mach das auch und ich packe das und will es. Das finde ich richtig toll.
Frau Holle: Im Nachhinein sehe ich das auch so. Natürlich wenn man in dieser Situation und Emotion ist, versteht man überhaupt nicht was gerade passiert, warum das einem passiert. Die Erklärungen dazu findet man erst viel, viel später. Man reagiert aus dieser Emotion und denkt viel in dieser Situation nach, man sieht es von vielen anderen Perspektiven, als jetzt nach sieben Jahren. Und es hat die ganze Familie gestärkt. Sie waren beide zum Glück Kämpfer und ich glaube schon, dass sie es im Mutterleib bis zu einem gewissen Level mitbekommen haben, wie ich gekämpft habe. Wenn ich zum Beispiel labil geworden wäre, möchte ich nicht wissen, was gewesen wäre. Ich glaube man gibt das den Kindern mit, schon im Mutterleib, kriegen sie das mit. Hallo, meine Mama ist eine Starke, die kämpft da grad jetzt voll drum, wir müssen auch kämpfen. So ist im Nachhinein jetzt meine Intuition, dass ich mich Gott sei DANK nicht unterkriegen habe lassen, und dass ich trotz allem einen klaren Blickwinkel in dem Moment gehabt habe. Ich muss kämpfen, koste es was es wolle. Unter Strich habe ich mein Leben unterschreiben müssen, dass ich das einsetze dafür, was ich unterm Strich bekommen habe. Ich glaube man muss auch ein bisschen bodenständig sein, sonst kommt man da auch nicht so gut durch, weil es sind verdammt viele Emotionen, die in die falsche Richtung gehen können, und die man da durchlebt. Und da danke ich meinen Eltern, dass ich so gestärkt geworden bin von meinem Elternhaus und von Kind auf gewisse Grundprinzipien in mir hatte, die mir die Kraft gegeben haben, da durchzukommen.
Tara: Ja, Eltern spielen natürlich auch eine große Rolle und die haben bestimmt zu ihnen gestanden. Sie wohnen alle hier in diesem Ort?
Frau Holle: Nein, wir wohnen in der Nachbarortschaft, aber unser Haus ist nur 500m von meinen Eltern entfernt, was natürlich toll war, wenn man Zwillinge nach Hause bekommt, die Frühchen waren. Weil da ist man teilweise auch zu zweit überfordert. Und wenn es gar nicht mehr gegangen ist, ein Anruf, Mama, Papa. Zu Fuß, es musste sich keiner ins Auto setzen und haben die beiden auch einfach mal rumgetragen, damit wir beide essen konnten oder duschen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schnell die Zeit vergeht, das Kind zu stillen, es wegzulegen, das Zweite zu nehmen, immer Augenmerk auf die Atmung legen, wir mussten ihnen selbst dieses atemunterstützende Medikament geben. Wir hatten dann das Problem, dass unsere Kinder sogenannte Spuk, oder Speihkinder waren, vermutlich auch wegen den unreifen Bahnen, das hat ein halbes bis dreiviertel Jahr gebraucht, bis sich das eingespielt hat. Es war oft so, man nimmt das Kind, es hat getrunken, es war fertig und hat die Hälfte wieder hochgebrochen. Man selbst war abgespieben, hat sich abgeduscht, hat das Kind waschen müssen, oft, wenn es ganz schlimm war, haben wir das atemunterstützende Medikament gespritzt und das haben sie wieder rauf gespieben. Es war immer schwierig abzuschätzen, wieviel von dem wieder hochgekommen ist, wieviel spritzt man nach, denn hat man es nicht gut dosiert, hatten sie diese Sättigungsabfälle. Es war rundherum so viel mit Medikamenten, der Tobias hatte, als wir heimgekommen sind, massiv schlechte Gelbsuchtwerte gehabt und hat jeden Tag ein Medikament gebraucht. Und hat es hochgebrochen. Dann musste man wieder warten, neu und klein dosieren, also man ist eigentlich den ganzen Tag permanent drangehangen und war beschäftigt. Wenn ich mich zurückerinnere, wenn ich früh aufgestanden bin, so um 8 zum Beispiel oder so, hab ich es oft bis halb 11 nicht geschafft mich selbst umzuziehen und selbst fertig mache. Entweder war ich oder ein Kind abgespieben, oder der Boden war voll. Dann war wieder Fütterzeit, dann war Windelwechseln.
Tara: Also immer eines nach dem anderen und zwischendurch auch.
Frau Holle: Zeit für uns selbst war kaum. Klar sitzt man mal irgendwann da, mit beiden Kindern und denkt sich dann, wow, super, tolles Gefühl und diese Momente stärken einen dann auch, aber es war halt schon echt heftig mit dem Ganzen. Dann Schiefhals, immer die Lagerung vom Nacken her. Es waren da einfach immer wieder sehr viele Punkte zu beachten. Natürlich muss man sich auch daran gewöhnen, super, dass es solche Leute gibt, aber wenn in der Woche mehrfach die mobile Kinderkrankenschwester reinspaziert, die Kinder gehören engmaschig gewogen, ob sie zunehmen ob sie abnehmen, es sind mehrfach mehrere Dinge von ihr kontrolliert worden, diese Erypo- Spritzen für die roten Blutkörperchen…es ist natürlich auch so, man ist aus dem Spital draußen, man hat es geschafft und irgendwie wird man dann so sensibel, dass man denkt, jetzt wird mein Kind schon wieder gestochen, und will eigentlich gar nicht mehr, dass dem Kind nur noch Nadelpiekse zugemutet werden. Ja haben wir dann auch überstanden. Das sind halt alles so Sachen, es ist nun mal nicht so, wie wenn sie bis zum Schluss im Bauch sind, dass man mit beiden Maxi Cosis heimgeht. Die Fütterungszeiten waren anders. Die haben um 12 Mitternacht auf der Neo ihre Mahlzeit gehabt, bis wir mit dem Rhythmus zurückgekommen sind zu einer normalen Zeit. Und das hat einfach gebraucht. Das war alles anders. Auch selbst wieder einen Rhythmus zu finden, vom Schlafen her, für die Kinder…also ja es war eine sehr heftige Zeit, sehr kräfteraubend. Jetzt ist es das erste Mal nach 7 Jahren, sie sind gesundheitlich stabil und ich sage es ist passiert und ich sehe es eigentlich positiv.
Tara: Gut, sehr toll. Also ihre Geschichte ist phänomenal und ich freue mich sehr, dass wir sie haben. Und ich bedanke mich herzlich.
Frau Holle: Ich hoffe, dass es vielleicht anderen Müttern helfen kann, wenn sie so etwas hören, dass man schon etliches schaffen kann. Und wenn man ein Ziel hat, dass man das Ziel auch erreichen kann und dass man nicht aufgeben soll.
Tara: Genau, das glaube ich auch. Und ich glaube, da haben sie viel mitbekommen, zum Weitergeben, wirklich toll. Danke sehr!
Frau Holle: Gerne!
Barbara: Das war das Interview mit Frau Holle über die Erfahrungen mit der Operation im Mutterleib, und alles was danach kam wegen ihrer Zwillinge. Das Interview hat Tara Harbeck geführt.
Euch allen noch einen wundervollen Morgen, eine gute Nacht oder einen wundervollen Abend!
Eure
Rosa Blume
P.S: Die anderen Teile des Interviews:
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