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OPs im Mutterleib - Interview mit Prof. Dr. Klaritsch

Liebe Leserinnen und Leser!

 

Barbara: Heute geht´s in unserer Folge um OP´s im Mutterleib. Und ich bin ganz stolz darauf, dass ich den Herrn Professor Dr. Klaritsch, eine österreichische Koryphäe auf diesem Gebiet dazu gewinnen konnte für dieses Interview zur Verfügung zu stehen. Herr Professor Klaritsch, würden sie sich bitte kurz vorstellen, damit unserer Hörer auch wissen, wer sie sind und was sie machen.

 

Prof. Klaritsch: Ja, guten Tag, mein Name ist Philipp Klaritsch, ich bin 44 Jahre und arbeite in Graz an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und leite hier auch den Schwerpunkt für vorgeburtliche Operationen, fetale Eingriffe, mit dem Team hier in der Pränatal Diagnostik. Wir sind das österreichische Kompetenzzentrum für vorgeburtliche Eingriffe in erster Linie bei Mehrlings-Schwangerschaften. Aber natürlich auch bei anderen vorgeburtlich behandelbaren Besonderheiten.

 

Barbara: Das klingt natürlich sehr interessant und ich glaube viele wissen gar nicht, dass man eigentlich schon einen Fötus im Mutterleib auch operieren kann bei gewissen Fehlbildungen oder anderen Komplikationen, vielleicht die es da gibt im Mutterleib. Nachdem ich ja keine Ärztin an sich bin, ist es natürlich gut einen Spezialisten an der Hand zu haben. Welche Fälle gibt es denn, bei denen man bereits etwas im Mutterleib machen kann?

 

Prof. Klaritsch: Also historisch gesehen, was am längsten bekannt ist, ist eigentlich die Behandlung der sogenannten Rhesuskompatibilität, das ist eine Unverträglichkeit der Blutgruppeneigenschaften zwischen Mutter und ungeborenem Kind. Das heißt aus einer Vorschwangerschaft, oder zum Beispiel Blutkonserven oder anderen Umständen kann man verschiedene Antikörper im Blut haben als schwangere Frau. Meistens sind das rhesusnegative Frauen, die dann gegen rhesuspositive Eigenschaft Antikörper entwickelt und wenn dann ein Kind im Mutterleib heranwächst, die Frau Antikörper hat, dann können diese Antikörper auf die kindlichen roten Blutkörperchen losgehen, diese dann zerstören und so entwickelt sich dann über die Zeit eine ausgeprägte Blutarmut des Kindes. Früher war das natürlich eine Erkrankung, die absolut totbringend für das Kind war, weil das Kind im Mutterleib keine roten Blutkörperchen mehr hatte und gestorben ist. Jetzt schon seit Jahrzehnten kennt man dieses Krankheitsbild, kann es erkennen, man kann es mit Ultraschall bei Risikofrauen, wo diese Konstellation besteht, kann man im Ultraschall Hinweise auf eine Blutarmut erkennen. Wenn tatsächlich eine Blutarmut vorliegt, kann über einen Ultraschall gezielten Eingriff wobei dann eine dünne Nadel in die Nabelschnur des Kindes eingeführt wird, das ist für das Kind harmlos bzw. nicht spürbar. Man kann über diese Nadel dem Kind Blut verabreichen im Sinne einer Blutkonserve und gewinnt dann dadurch wieder Zeit für einige Wochen. Gelegentlich muss man das 2, 3, 4mal in der Schwangerschaft wiederholen aber letztlich ist in den überwiegenden Fällen ein völlig gesundes Kind in der Nähe des Geburtstermins, praktisch zur Geburt dann da und das war ein lebensrettender Eingriff. Das ist der Anfang der fetalen Therapie.

 

Barbara: Ab welcher Schwangerschaftswoche beginnt man damit meistens?

 

Prof. Klaritsch: Üblicherweise beginnen wir mit der Überwachung bei ungefähr 18 Wochen. Meistens sind diese Eingriffe nicht vor der 20. Woche notwendig. Meistens reicht es, wenn man 2-5 solcher Punktionen und Transfusionen macht.

 

Barbara: Das ist echt hilfreich, weil dadurch erspart man sich eine Fehlgeburt oder Totgeburt. Und das ist ja meistens klarerweise ein großes Trauma bei Frauen. Wer wünscht sich schon, dass während der Schwangerschaft sein Kind stirbt? Gibt es Gefahren bei so einem Eingriff?

 

Prof. Klaritsch: Mögliche Gefahren oder Komplikationen gibt es bei jedem Eingriff, da ist klar. Auch wenn die Nadel noch so dünn ist, wenn man damit in die Gebärmutter eingeht, kann theoretisch irgendetwas passieren. Sehr selten bei der Mutter, gelegentlich kann es kindlich zu Blutungen kommen, aber in der Regel funktioniert das sehr gut. Es ist auch nur ein Beispiel. Ein anderer Meilenstein zum Beispiel, der seit Anfang 2000 zur Verfügung steht, ist die Behandlung des Zwillings-Transfusions-Syndroms. Das ist ein Problem, wo eineiige Zwillinge sich einen gemeinsamen Mutterkuchen teilen, und über diesen Mutterkuchen Blutgefäße ziehen, die die beiden Nabelschnüre der Kinder verbinden. Und so kann es dazu kommen, dass ein Kind Blut zum anderen Kind hin verliert und ein Kind zum Spender und ein Kind zum Empfänger wird. Auch das ist eine Erkrankung, die man schon lange kennt, aber bis vor einiger Zeit keine Therapie hatte. Äußern tut sich das immer darin, dass ein Kind immer sehr viel Fruchtwasser bekommt, und das andere immer weniger Fruchtwasser. Daran erkennt man das eigentlich auch im Ultraschall. Und früher hatte man immer nur die Möglichkeit Fruchtwasser abzulassen, was jetzt symptomatisch etwas geholfen hat gegen den großen Bauch, aber nicht wirklich gegen die Ursache des Problems. Und seit den 2000ern ist es so, dass wir eine vorgeburtliche Laserung machen können. Da geht man mit einer Mini-Kamera, die nur etwa 3mm Außen Durchmesser hat, in die Gebärmutter ein, kann dann mit dieser Mini-Kamera ganz genau den Mutterkuchen abtasten und auf einem Monitor betrachten. Und alle Blutgefäße, die dann tatsächlich von einer Nabelschnur zur anderen gehen, und eine Verbindung darstellen, die kann man dann unter Sicht mit einem ganz dünnen Laserlichtleiter veröden, es wird praktisch mit Laser-Energie verschlossen, und o verschließt man schließlich alle Gefäße, die die Kinder miteinander verbinden, und kann damit praktisch von einer totbringenden Erkrankung zu einem eigentlich sehr guten Outcome kommen, wo die meisten Kinder glücklicherweise überleben.

 

Barbara: Und ab welcher Schwangerschaftswoche kann man das beginnen?

 

Prof. Klaritsch: Der Gipfel dieser Krankheit tritt meist in der 20. Schwangerschaftswoche auf. Vorkommen kann es aber auch schon früher, etwa ab 16 Schwangerschaftswochen können wir diese Besonderheit erkennen und auch behandeln. Später in der Schwangerschaft kommt das glücklicherweise kaum noch vor, also nach 26 Wochen kommt es fast kaum nicht mehr vor.

 

Barbara: Also wäre es demnach klug, dass Frauen, die mit Zwillingen schwanger sind im zweiten Schwangerschaftsdrittel darauf zu achten und wenn der Gynäkologe dann merkt, da könnte etwas sein, schauen, ob man da nicht etwas machen kann und de facto nach Graz kommen.

 

Prof. Klaritsch: Ja, und das Um und auf, das predigen wir auch immer bei Kongressen, ist, dass man schon in der Frühschwangerschaft einen Ultraschall machen soll, also schon recht früh, dass man mal weiß, wieviel Kinder sind da in der Gebärmutter, habe ich eine Einling- oder Mehrling-Schwangerschaft. Wenn Mehrling-Schwangerschaft, also, wenn zum Beispiel Zwillinge, was für eine Form ist es. Da kann ich schon sehr früh unterscheiden, ist das eine „unkomplizierte“ Zwillings-Schwangerschaft mit 2 Mutterkuchen, die brauche ich nicht so engmaschig kontrollieren, denn die haben einen sehr guten Schwangerschaftsverlauf, üblicherweise, oder ist es eben eine besondere Schwangerschaft, wo sich die Kinder einen Mutterkuchen teilen, oder sogar eine gemeinsame Fruchthöhle haben, dass sie mehr oder weniger gemeinsam in einem Pool schwimmen, wenn man so will, und auch das wäre wichtig zu erkennen, weil auch die würde man sehr engmaschig kontrollieren, und auf Zeichen von Komplikationen kontrollieren. Das gehört wirklich in Expertenhände, und sollte erkannt werden und dann rechtzeitig zugewiesen werden.

 

Barbara: Und hierfür seid ihr in Graz die Experten für ganz Österreich.

 

Prof. Klaritsch: Ja genau.

 

Barbara: Das ist gut zu wissen, dann weiß man auch, wo man jemanden hinschicken kann, wenn so ein Fall kommt. Gibt es noch andere wichtige Vorkommnisse?

 

Prof. Klaritsch: Betrachtet man generell das ungeborene Kind als möglichen Patient, dann geht es natürlich einmal darum, dass man mögliche Probleme erkennt. D.h. man kann schon dazu raten, dass man bereits mit 12 Wochen eine erste Evaluierung macht, wir nennen das das Erst-Trimester Screening, wo man das Baby schon sehr genau anschauen kann, und eigentlich schon den Großteil vieler Probleme bereits ausschließen kann und damit die Eltern beruhigt und sagt, schauen sie, ihr Kind schaut einmal völlig unauffällig aus für diese Woche. Man kann, wenn man das möchte auch die Nacken-Transparenzen messen, man könnte, wenn das gewünscht ist auch auf genetische Besonderheiten screenen und das einschätzen. Dann ist für die Entwicklung des Kindes sehr wichtig, dass man mit 20 Wochen noch einmal schaut, ob sich alles gut entwickelt. Gelegentlich finden wir dann aber doch Besonderheiten, und da ist natürlich auch für die Eltern wichtig, ist das etwas, was sehr gut mit dem Leben vereinbar ist, ist das etwas. Worauf man in der Schwangerschaft aufpassen muss, und unter Umständen in der Schwangerschaft eine Therapie machen kann. Ich erwähne jetzt zum Beispiel die Rhythmus-Störungen. Es gibt zum Beispiel recht ausgeprägte Herzrhythmus Störungen von Kindern, die unbehandelt oft eine sehr schlechte Prognose haben. Egal ob das Herz viel zu schnell oder zu langsam schlägt, beides kann Probleme machen, und das kriegt die Mutter ja gar nicht mit, wenn man nicht mit dem Ultraschall draufkommt. Da kann man also schon teilweise Herz-Medikamente über die Frau verabreichen. Das schluckt die Mutter, und das geht über den Mutterkuchen zum Baby und behandelt die Herzrhythmus Störung des Kindes. So etwas haben wir einige Male jedes Jahr. Oder man kann manchmal auch angeborene Fehlbildungen sehen und da gibt es ja zum Beispiel den offenen Rücken. Auch hier ist in den letzten Jahren ein Durchbruch gelungen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass eine vorgeburtliche Operation, wo man diesen offenen Rücken schon verschließt, deutlich bessere Verläufe zeigt, wo nachgeburtlich Kinder häufiger gehen können und nicht unbedingt an einen Rollstuhl gebunden sind und wo vor allem auch die Rate an Problemen im kindlichen Köpfchen also diese großen Flüssigkeitsansammlungen die sich manchmal bilden können wo man dann Ableitungen legen muss, nach der Geburt, verringert werden können und diese Probleme treten auch deutlich geringer auf. Hier haben sich in Europa einige Zentren herauskristallisiert, wir arbeiten in dieser Situation mit Zürich zusammen, wo eigentlich das größte europäische Zentrum besteht. Hier kann man Frauen zumindest eine Alternative anbieten, schauen sie, fahren sie hin, schauen sie ob ihr Fall passend wäre für diese vorgeburtliche Option. Nicht immer ist es notwendig, manchmal sagen die auch nein, das hat auch ohne eine Operation einen guten Verlauf. Und in manchen Fällen werden sie sagen, ja hier wäre eine Operation zu erwägen. Insofern kann man solche Frauen mit kindlichen Fehlbildungen zumindest eine Alternative bieten.

 

Barbara: Das war das Interview mit Professor Dr. Klaritsch von der Uniklinik Graz über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten im Mutterleib am Fötus. Das ist ein irrsinnig spannendes Thema. Wir werden immer wieder Interviews mit verschiedenen Ärzten und Zentren europaweit über dieses Thema führen damit wir euch darüber informieren können. Denn es ist wirklich beachtlich wie weit da die Forschung auch geht auch schon in der Therapie an Kindern im Mutterleib. Darum würde ich euch auch liebe Frauen bitten, wenn ihr eine komplizierte Schwangerschaft habt, kommt zu uns, wir informieren uns ob es irgendwo eine Möglichkeit gibt für eine Therapie am Fötus während der Schwangerschaft. Solltet ihr zu diesen Fällen gehören, und ich glaube es lohnt sich da im Zweifel daran teilzunehmen sollte es Studien geben. Und ihr seid in dieser Situation, dass bei eurem Kind vielleicht irgendeine Komplikation aufgetreten ist. Denn je mehr Frauen sich dazu entschließen, auch hier bereit zu sein zu einem Arzt zu gehen und an der Forschung teilzunehmen, desto größer ist die Chance, dass in Zukunft wirklich noch mehr Kinder ohne Komplikationen auf die Welt kommen können.

 

Für heute einen wunderschönen Abend, eine gute Nacht oder einen wundervollen Morgen!

Eure 

Rosa Blume

P.S:

Hier der Link zur Praxis von Prof. Dr. Klaritsch.

 

Hier könnt ihr das Interview mit Frau Holle lesen, die eben eine Behandlung im Mutterleib unterziehen ließ, das ihre Zwillinge am Zwillingstransfusionssyndrom litten.

Teil1

 

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