Liebe Leserinnen und Leser!
Im heutigen Beitrag berichtet eine Frau, wie es dazu kam, dass sie und ihr Mann zu Pflegeeltern wurden.
„Als unsere Kinder klein waren, wollte ich gerne zu Hause arbeiten, um sie nicht in Betreuung geben zu müssen. Also beschloss ich, selbst Kinder zu betreuen und Tagesmutter zu werden. Bevor ich loslegen konnte, kam Frau P. vom Jugendamt, um sich Haus und Familie anzuschauen. Die Dame war sehr nett und blieb lange und wir hatten einen vergnüglichen Nachmittag. Am Ende meinte sie, dass es eigentlich viel zu schade sei, dass ich nur Tagesmutter werden wollte und fragte mich, ob wir uns nicht vorstellen könnten, Pflegekinder aufzunehmen. Nein, das wollten wir nicht! Ich selbst bin in einer Familie groß geworden, die Pflegekinder aufnahm und habe darunter gelitten, aber Frau P. ließ nicht locker. Sie bräuchten immer wieder kurzfristig einen Platz und es wäre schwierig, Plätze von dieser Qualität zu finden. „Nein, wir wollen nicht!“ „Erst letzte Woche war ein Säugling auf dem Jugendamt, den sie schlussendlich in ein Säuglingsheim geben mussten.“ „Ein Säugling?“ „Ja genau. Die sind wirklich arm, wenn sie in so einem Heim landen.“ Meine Gedanken machten sich selbstständig. Meine Tochter war gerade dem Babyalter entwachsen und ich hatte eindeutig noch nicht genug davon. Wie viele Babys konnte es wohl geben, die kurzfristig einen Platz brauchen? Wohl nicht so viele, schätze ich. „Naja, wenn einmal wirklich ein Säugling übrig ist, der keinen Platz findet, dann können Sie sich ja noch einmal melden.“ Zufrieden zog Frau P. ihres Weges und ich begann als Tagesmutter zu arbeiten.
Ein gutes Jahr später an einem heißen letzten Schultag vor den Sommerferien war meine Tochter alt genug, dass wir alle drei Kinder der Obhut meiner Schwiegermutter anvertrauen wollten, um ein Wochenende zu zweit zu verbringen. Mein Mann trug gerade den Koffer hinunter, als das Telefon klingelte und Frau P. vermeldete, dass jetzt ein zwei Monate altes Kind einen Platz bräuchte. „Gerne, am Montag?“, fragte ich. „Zu spät!“ „Am Sonntag?“ „Nein, gleich!“ „Geben Sie mir bitte eine halbe Stunde für die Entscheidung.“ „Ist in Ordnung! Wenn ich nichts mehr von Ihnen höre, bin ich in zwei Stunden bei Ihnen.“
Ich trommelte die Familie zusammen, erzählte was passiert war und bat um ein Ja oder Nein von jedem. Die Schwiegermutter sagte nein, alle anderen ja. Die restlichen 100 Minuten nutzten wir um Kinderwagen, Fläschchen, Babynahrung und Windeln aufzutreiben, Bett und Kleidung hatte ich noch von meinen Kindern. Genau zu der Zeit, als ich eigentlich gerade mit meinem Mann im Hotel ankommen wollte, lernte ich unser erstes Pflegekind kennen. Maria (Name natürlich geändert) war unterernährt, hatte durchsichtige Haut, glasige Augen und roch unangenehm nach Urin und saurem Erbrochenem. Fast sechs Monate lang war Maria unser Gast. Es war keine leichte Zeit, weil die Kindesmutter uns das Leben schwer machte, ihre Besuchskontakte in unserem Wohnzimmer abhielt, drohte Maria zu entführen und uns und das Jugendamt an der Nase herumführte. Gleichzeitig war es aber auch eine wunderbare Zeit, weil wir Maria lieben lernten und uns über ihre Entwicklungsschritte freuten und als Familie zusammenwuchsen. An einem kalten letzten Schultag vor Weihnachten feierten wir Abschied von Maria. Nach langem hin und her mit ihrer Mutter hatte die Jugendwohlfahrt einen Dauerpflegeplatz für sie gefunden, eine quirlige, fröhliche Familie mit zwei fast erwachsenen Töchtern sollte nun Marias Familie werden, ein lachendes und ein weinendes Auge hatten wir dabei. Maria war uns ans Herz gewachsen und der Abschied fiel uns schwer. Aber die Aussicht, Weihnachten nur als Kernfamilie zu feiern, hatte auch etwas Schönes.
Am Ende dieser Zeit waren wir uns als Familie einig, das machen wir wieder! Es ist unglaublich erfüllend zu sehen, wie Kinder sich in einer liebevollen Umgebung von Gebet umgeben verändern. Ein Baby zum Beispiel, das unerwünscht war und anonym geboren wurde, gab tagelang keinen Muchs von sich und schaute uns nicht an. Es war, als wüsste es, dass es unerwünscht war. Es trank nur, wenn man ihm etwas anbot, die volle Windel meldete es nicht und nachts musste ich immer wieder schauen, ob es überhaupt noch atmete. Immer wieder sagten wir ihm, dass es von Gott gewollt ist. Eines Tages schrie es das erste Mal, weil es die Flasche wollte und dann sah es mich beim Trinken an. Das sind Momente, in denen man in Gottes unsichtbare Welt sehen kann.
Ein anderes Baby war misshandelt worden. Jeder Knochen im Leib war gebrochen. Es schrie sechs Wochen lang täglich sechs bis acht Stunden am Tag. Doch als es mich das erste Mal anlächelte, war ich für alles entschädigt. Diese Momente sind es, für die man diese Arbeit macht. Nach einiger Zeit wurde ich als Krisenpflegemutter fest angestellt, doch nach einer Umstellung des Pflegeelternkonzepts wurde ich allmählich zu unbequem, sodass ich entlassen wurde.
Nach vierzehn Jahren und vierzehn Kindern, die zwischen einem und sieben Monaten bei uns geblieben waren, musste ich mich nach einer neuen Herausforderung umsehen. Sie kam in Gestalt eines schwer traumatisierten Jungen. Er lebt nun schon seit vier Jahren bei uns. Es ist eine ganz andere Herausforderung und die beglückenden Momente stellen sich nicht so häufig ein. Es ist wie der Unterschied zwischen einem Hundert-Meter-Lauf und einem Marathon, aber allem gemeinsam ist die Erkenntnis, dass jedes Kind eine einzigartige Sonderanfertigung Gottes ist und jedes Kind leben will! Jedes Kind entwickelt seine ganz eigene Strategie zum Überleben, wenn die Umstände, in die es hineingeboren wird, unglücklich sind. Kinder sind Meister des Lebens und sie zu unterstützen ist eine wundervollende und beglückende Arbeit.“
Dieser Artikel stammt aus unserer Zeitschrift „lebensbewegt“, die ihr auch gerne bei uns bestellen könnt unter office@lebensbewegung.at.
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Eure Rosa Blume
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